The Plot

■ Kreide fressen

Man begebe sich in die Zeit, da es noch einer Art revolutionärem Bewußtsein bedurfte, gleichzeitig männlich und langhaarig zu sein; in die Zeit, da man sich subversiv- aufrührerisch sommernachts auf Wiesen traf, um gefährlich Drogen zu sich zu nehmen, wahnsinnig high zu sein und in diesem unberechenbaren Zustand zum Schrecken sämtlicher Waldtiere und zur Stützung der eigenen großartigen Einzigartigkeit und Ausgefallenheit Mutters Wandergitarre rebellische Töne zu entlocken.

Als es galt, sich gegen die widrigen Kräfte der spitzendeckchenetablierten Gesellschaft aufzulehnen, die kraftvolle Kreativität, die ursprüngliche Spontaneität des sich-selbst- bewußt-machenden-Menschen für jeden kleinsten Schritt — der beginnt gewöhnlich morgens beim Brötchenholen — neu zu finden und alles zum Selbstentdeckungskursus geraten zu lassen.

Ungefähr hier finden The Plot aus Amsterdam ihre Wurzeln, von wo aus sie sich durch so ziemlich alle Stile der seitdem vergangenen 20 Jahre kämpfen. Hart und polterig, mit schrillem Gesang zwo drei gen Norden (bevorzugte Tourländer der rührigen sechs finden sich in Skandinavien, rauhes Leben und so) veranstalten sie eine einzigartige Mischung aus Folk, Punk, Rockoper, Wave, B-52s, Genesis-Balladensoftrock, kurz: Hippiecore.

Inhaltlich richten sie sich gegen die Unterdrückung und Ausbeutung von Natur, Tier und Mensch, musikalisch gegen jegliche Zwänge. Es wird verknüpft, was nicht zusammenpaßt, leise Intros enden in der Dashtrommel, verbindendes Glied in dieser überwiegend aus Frauen bestehenden Kombo bleibt immer wieder der Gesang von Lene, die wahrscheinlich in nächster Zeit auf den regelmäßigen Verzehr von Kreide nicht wird verzichten können. Sie verbreitet heiser-melancholische Betroffenheit und Engagement, bis sie immer wieder einigermaßen unerwarteterweise von einem Gewühl aus Gitarrenbrei und Stampfrhythmus aus dem Rennen geschlagen wird und sich nur noch sehr laut, sehr schrill und sehr kräftig Gehör verschaffen kann.

Die MusikerInnen erzeugen die entschlossen-wackere Atmosphäre, die jeder Spontansession diesen bewußten Hauch von Nichtabsehbarkeit verleiht und das einfache Tun in ein weltbewegendes Happening zu verwandeln vermag; irgendwie haben sie es trotz aller Unvorhersehbarkeit geschafft, das Ganze auf mittlerweile 2 LPs und eine Single zu bannen, wobei sie auf der »Come- Back-Tour 90/91« (wie gesagt, die Stimmbänder — lange machen die das nicht mehr mit, man muß öfter schon eine Zwangspause einlegen!) die aktuelle »The Plot Thickens« vorzustellen gedenken. Look back in anger heute abend im K.O.B. Erika

Um 22 Uhr im K.O.B.