Die Phosphatfreien

■ College of Hearts mit: »Der letzte Waschgang — eine Seifenoper«

Eine Seifenoper hat nichts mit Seife zu tun. Nein, sie verdankt ihrem Namen dem Beruf des Erfinders bzw. eines Einfalles, den dieser während der Ausübung seines Berufes hatte. Der Name des Mannes war James Theodor Holmes, er wirkte Anfang dieses Jahrhunderts in den USA, sein Beruf: Waschmittelfabrikant. Als solcher immer bemüht um neue Wege zur Absatzusteigerung seiner Produkte, entdeckte er die beim Volk beliebte Boulevardkomödie, machte sie zum Werbeträger für seine Waschmittel. Wo vor seinem handfesten Eingriff in die Geschichte des Theaters nur geliebt, gemordet, gelacht und dazu gesungen wurde, wurde danach geliebt, gemordet, gelacht und dazu die holmesche Warenwelt besungen. Der Trick war erfolgreich, funktioniert bis heute, jetzt allerdings nur noch im Fernsehen auf dem Niveau doppelt belichteter Derrick-Folgen.

Dieser Tage aber verspricht die Seifenoper den Klauen versackter Produzenten entrissen zu werden — denn das Berliner Musiktheater College of Hearts ist angetreten, das Genre für die Bühne zurückzuerobern. Nicht nur durch Wiedereinführung gezielter Werbung in das Theater, aus dem Namen der Gattung wurde Programm gemacht: Der letzte Waschgang vereinigt zwischen Waschmaschine, Waschmittel und Sauberkeitszwang alles, was eine Seifenopfer bieten kann: Leichen, schmutzige Wäsche, dreckige Witze, verwirrt-undurchsichtige Handlungen mit Personen, deren psychischer Apparat mit Lego gebastelt wurde, Menschen, die, wenn sie nicht mehr ein noch aus wissen, zu singen anfangen.

Werbung hat es, natürlich, auch — leider nur viermal, jedesmal wie aus der alternativen Bäckerblume geschnitten, Kosmetika aus der Bergmannstraße, wilde Kanu-Fahrten in noch wilderen Gebirgsbächen...

Zu wenig und schlechte Werbung allein macht noch keine falsche Seifenoper. Im Gegenteil, diese hier läßt sich sogar gut an mit einem feinen Theatermord, zügig hingelegt von der Frau eines Gourmets, die ihren Gatten stilecht mit einem vergifteten Gläschen Qualitätswein um die Ecke bringt, weiterarbeitet mit Schußwaffen, Messern und Telefonkabeln, bis am glücklich-bitteren Ende der fast tote Ehemannkörper in der Waschmaschine bei mehreren hundert Umdrehungen pro Minute dem Ende entgegenschleudert.

Wo bei anderen Theatergruppen jetzt unweigerlich Seelennot und -pein einer mordenden Frau zum Zuge kommen würde, ist die Witwe beim College of Hearts zum Glück rundum froh, erfindet ein Waschmittel, das sauberer als sauber, reiner als rein wäscht und die Waschkraft hat, die von innen kommt. Trotz solch einer ohne weitere Umstände dahinflitzenden Handlung versandet das Stück im weiteren Verlauf, ein Umstand, nur mit der grandiosen Überfrachtung der ganzen Produktion zu erklären. Darin gibt es nicht nur einen oder zwei oder drei Handlungsstränge, es gibt gleich ein gutes Dutzend. Neben der mordenden, erfindenden, zum Schluß karrieremachenden Frau töten andere Frauen die Männer reihenweise, werden von einem Kommissar gedeckt, der sich bei ihren auf Tonband aufgezeichneten Tatgeständnissen einen runterholt, hat ein Yuppie-Ehepaar Probleme mit Liebe und Hiebe, taucht ein Umweltskandal auf usw.

All diese und noch mehr Handlungsstränge kreuzen und verheddern sich, kommen durcheinander, ein Zustand, der noch verschlimmert wird durch ein Arsenal von kleinen Ideen, Einfällen, die sich nicht gegenseitig anstecken, sondern zu Kleinstszenen verklumpen und in der eh schon diffusen, nicht recht vorankommenden Welt des letzten Waschgangs vollends das Tempo stoppen.

Kaum freut man sich etwa mit der Frau, daß ihr Ehemann hinfort ist, taucht er als Geist wieder auf, ganz unnötigerweise, mit dem weiteren Verlauf der Handlung hat er nichts zu tun, außer, daß er ihr schlechtes Gewissen sein könnte, was aber sucht schlechtes Gewissen in der Seifenoper?

Die ganze Vertracktheit der Handlung, die gegen einen der Grundsätze der Seifenoper steht: Es muß unlogisch sein, aber verständlich und schnell, ist nicht der einzige Punkt, an dem das Stück die Regeln des Genres verletzt. Zu befürchten ist, daß viele Szenen richtige Botschaften an das Publikum enthalten, etwa so: Trau keinem Kommissar nicht, denn hinter seinen Liebenswürdigkeiten versteckt sich eine um so fiesere Absicht, Yuppies sind doof, auch Softies schlagen ihre Frauen, wer unter Sauberkeitswahn leidet, ist zu jeder Schandtat fähig. Darf aber eine Seifenoper eine andere Botschaft haben als die, daß jede Geschichte, so schlimm sie gerade stehen mag, immer einen glücklichen Ausgang haben wird? Liegt hier vielleicht das Problem, daß College of Hearts mit dem Genre haben, begraben, daß sie, die angetreten sind, es »zu seinem Ursprung hin zu erlösen, gleichzeitig zeitgemäß und nach vorn hin weiterzuentwickeln« (Programmheft), es nicht ernst zu nehmen, dafür aber die ganze Problempalette ihres Publikums? Denn statt mit Schnelligkeit und boshaftem Witz die Seifenoper konsequent durchzuspielen auf ein Meta-Happyend hin, wird selbst am Schluß des letzten Waschgangs, wenn doch die fiesen Yuppies siegen und nicht die Heldin, der unser Herz gehört, die Handlung ein weiteres Mal ironisch- distanziert gebrochen wird und damit die Spitze, auf die College of Hearts das Genre mit seinen eigenen Mitteln treiben wollten. Mit wenigen Worten: Die Guten sind nicht gut genug, die Bösen sind nicht böse genug und die Klischees viel zu wenig grell. Da wird aus einer Seifenoper eine phosphatfreie Demeteroper, jedenfalls, solange die Oper nur über Markenseife redet und nicht die solventen Hersteller zur Kasse bittet. Volker Heise

Der letzte Waschgang bis 3. März, jeweils mi-so, 21 Uhr in der UFA- Fabrik, Vorbestellung unter 7528085.