Vorerst keine Straßenbahnverlängerung

■ Verkehrsverwaltung: Erst müssen Straßenbahnstrecken im Ostteil der Stadt saniert werden/ Vom Parlament angeforderte Gutachten sollen bis zum Frühsommer unter Verschluß bleiben

Berlin. Auch unter dem neuen Verkehrssenator Hartwig Haase finden die Vorschläge zur baldigen Verlängerung von Straßenbahnlinien aus den östlichen Stadtbezirken in den Westteil wenig Gegenliebe. Einzelne Planungen seien so weit gediehen, daß man eigentlich mit dem Schienenbau »loslegen« könnte, räumte zwar jetzt der zuständige Abteilungsleiter Christian Lotze auf einer Anhörung der BVV Wedding ein. Aber: Angesichts des bislang fehlenden Geldes sei die Sanierung der vorhandenen Ostberliner Trambahnstrecken wichtiger.

Lotze zufolge wurde dafür in Bonn auf der Grundlage von BVB- Angaben für 1991 ein erheblicher Finanzbedarf von 12 bis 13 Millionen Mark angemeldet. Aus Mitteln nach dem Gemeinde-Verkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) sind aber bisher nur 2,6 Millionen Mark zugesagt, erklärte der Abteilungsleiter. Bezahlt werden müßte schließlich auch der Ausbau der U-Bahn und die noch lange Jahre dauernde Wiederherstellung des S-Bahn-Systems.

Der Verwaltung liegen jetzt umfängliche Gutachten westdeutscher Fachleute über den Nutzen der Straßenbahn vor. Dem Vernehmen nach schlossen sich die Gutachter Vorschlägen von BVB und BVG an, zunächst drei Trambahnlinien zu verlängern: Bornholmer Straße-Osloer Straße (alternativ auch bis zum Bahnhof Seestraße), Bernauer Straße-Lehrter Stadtbahnhof und Warschauer Straße-Oberbaumbrücke. Weil die Ergebnisse der vom parlamentarischen Hauptausschuß angeforderten Gutachten »noch bewertet« werden müßten, sollten die Expertisen erst im Frühsommer an die Öffentlichkeit gegeben werden, sagte der Senatsplaner.

Der Grund für die Zurückhaltung könnte sein, daß die alteingesessenen Planer im Hause Haases ohne Druck von außen ihr Lieblingsprojekt eines mindestens vierspurigen Straßenringes rund um die Ostberliner Innenstadt vorantreiben möchten. Ein solches Projekt ginge zwangsläufig auf Kosten der Straßenbahn. Da der automobile Durchgangsverkehr unter anderem durch die Bernauer und die Invalidenstraße geleitet werden soll, würde auf diesen Trassen ein eigener Gleiskörper der Tram kaum mehr Platz finden. Wie es heißt, schlugen die eingeschalteten Gutachter deshalb vor, die Straßenbahngleise der Linie 3 statt auf der Bernauer Straße direkt auf dem parallelen Mauerstreifen in Richtung Nordbahnhof weiterzuführen. Ansonsten favorisiert die Verwaltung, so Lotze, einen Straßentunnel von der Chaussee- bis hinter die Heidestraße. Für die Interessengemeinschaft Eisenbahn und Nahverkehr (IGEB) ist der angedachte Tunnelbau »völlig utopisch«, weil die Kosten der mehrere hundert Meter langen Untertunnelung denen beim U-Bahn-Bau vergleichbar seien. Die Tunnelbauer müßten sich nämlich unter der in anderthalbfacher Tiefenlage liegenden Nord- Süd-Strecke der S-Bahn und dem Tunnel der U-Bahnlinie 6 hindurchwühlen. thok