Randale im Gerichtssaal

■ Skinheads für Schändung eines jüdischen Friedhofs im Allgäu verurteilt

Memmingen (taz) — Vor neun Monaten haben sie in Türkheim einen jüdischen KZ-Friedhof zerstört, am Mittwoch haben sie im Gerichtssal des Memminger Amtsgerichts randaliert — Skinheads aus dem Allgäu. Drei von ihnen waren angeklagt wegen Störung der Totenruhe in Tateinheit mit gemeinschädlicher Sachbeschädigung. Nach einer Geburtstagsfete am 12. Mai 1990 beschlossen die drei jungen Männer, von Mindelheim aus ins nahe Türkheim (Landkreis Unterallgäu) zu fahren, „um Grabsteine umzumachen“. Der kleine jüdische Friedhof außerhalb des Ortes wurde verwüstet, Grabsteine wurden zertrümmert, Grabplatten verschleppt und zuletzt auch noch Bierflaschen an den zertrümmerten Grabsteinen zerschlagen.

Von dem Ausländer- und Judenhaß, den die drei Angeklagten bei der polizeilichen Vernehmung zu Protokoll gegeben hatten, wollten sie vor Gericht nichts mehr wissen. Und von Vorsatz ebensowenig. Als sich dann der jüngste der drei Angeklagten, der damals 17jährige Fernsehmechanikerlehrling Jochen P., vor Gericht von den Skinheads lossagte, brüllte aus dem Zuhörerraum ein Skinhead „Judensau“. Richter Franz Freiherr von Castell bewahrte Ruhe, ließ den Mann in den Zeugenstand führen, um ihm mitzuteilen, daß gegen ihn eine Ordnungsstrafe verhängt würde. Er wehrte sich und nannte den Richter „Arschloch“ und „Depp“. Den Angeklagten und einstigen Mitstreiter schimpfte er „Verräter“ und drohte mit Rache. Erst durch das Eingreifen weiterer Polizeibeamter konnte der Randalierer überwältigt werden.

Als schließlich noch einer der Angeklagten, der 22jährige Schlosser Alfons H., über die Brüstung der Anklagebank stieg und auf den Richtertisch losstürmte, mußten weitere Polizeibeamte zur Verstärkung anrücken. Er wurde in Handschellen abgeführt, das Verfahren gegen ihn abgetrennt. Kommenden Montag soll es fortgesetzt werden.

Die beiden anderen Angeklagten wurden zu Jugendstrafen verurteilt. Der 17jährige Fernsehtechnikerlehrling, der sich von den Skinheads losgesagt hat, kam mit zwei Wochen Jugendarrest davon. Der andere Angeklagte, der sich nach wie vor zu den Skins bekennt, wurde wegen mehrerer Vorstrafen zu 10 Monaten Jugendstrafe mit verschärfter Bewährung verurteilt. Außerdem muß er 1.500 Mark an die Deutsch-Israelische Gesellschaft zahlen.

Damit folgte der Amtsrichter weitgehend dem Strafantrag der Staatsanwaltschaft. Er befand die beiden Angeklagten für schuldig, den Judenfriedhof vorsätzlich verwüstet zu haben. Klaus Wittmann