Ist der Sturz Gorbatschows geplant?

■ Konservative machen weiter Front gegen den Präsidenten/ ZK-Plenum bestärkt konservativen Kurs/ Kuhhandel zwischen UdSSR und USA in bezug auf den Golfkrieg und auf die baltischen Länder?

Berlin (taz) — Entgegen anderslautender Gerüchte ist am Freitag die Sitzung des Föderationsrates doch von Gorbatschow eröffnet worden. Zu den Gerüchten über seinen Sturz hatte die Vereinigung konservativer Kommunisten (Jedinstwo) beigetragen, die eine Kampagne zur Absetzung Gorbatschows von seiner Funktion als Generalsekretär der KPdSU begonnen hatte. An seine Stelle soll ihrer Meinung nach die Leningrader Parteikonservative Nina Andrejewa treten, die in einem vielbeachteten Artikel in der 'Sowjetskaja Rossija‘ 1988 die Perestroika verdammt hatte. Auch die Äußerungen des neuen sowjetischen Außenministers Bessmertnych vom Donnerstag, die „Rückkehr zum Kalten Krieg“ könne nicht ausgeschlossen werden, trug zur Gerüchteküche bei. Ein Anzeichen für die Verschärfung der Lage war schon in Washington zu beobachten, als der Sprecher des Weißen Hauses Fitzwater am Mittwoch bekanntgegeben hatte, die Sowjetunion habe bereits gemachte Zusagen im Rahmen der Startverhandlungen über die Verringerung weitreichender Atomwaffen wieder zurückgezogen. Und trotz aller Proteste sind schon Patrouillen aus Milizionären und Soldaten auf den Straßen Moskaus gesehen worden.

Gegenstand der Debatte des Föderationsrates war der neue Unionsvertrag, der am 17. März in einer Volksabstimmung in allen Republiken angenommen werden soll. Sowohl das lettische wie auch das armenische Parlament haben die Form der geplanten Volksabstimmung bereits abgelehnt, auch Litauen, Estland, Georgien und Moldawien hegen Vorbehalte. Am 7. Februar will Litauen eine eigene Volksbefragung über die Unabhängigkeit machen, von der alle Nicht-Litauer ausgeschlossen sein sollen, sofern sie nicht seit mindestens zehn Jahren in der Republik leben.

Zuvor war ebenfalls in Moskau die eintägige Plenumssitzung des Zentralkommitees der KPdSU zu Ende gegangen. Neues Mitglied im Politbüro wurde der Erste Sekretär der KP Estlands, Lembit Annous. Ausgeschieden sind der stellvertretende sowjetische Präsident Gennadi Janajew und Giwi Gumbaridse, ehemals Erster Sekretär der georgischen KP. Der Schrifststeller Alexander Gelman wurde aus dem ZK ausgeschlossen, „da er seinen Bezug zur Partei verloren“ habe. Das Plenum forderte darüber hinaus das Präsidium der Zentralen Kontrollkommission auf, den Fall von Stanislaw Schatalin zu überprüfen. Das ZK- Mitglied und der Mitautor des 500-Tage-Planes zur Wirtschaftsreform hatte Gorbatschow am 22. Januar in einem offenen Brief aufgefordert, aus der KPdSU auszutreten.

Vor diesen Personalentscheidungen hatte sich das ZK-Plenum gegen die Bildung bewaffneter Einheiten in den Sowjetrepubliken gewandt, der sowjetischen Armee seine Unterstützung versichert und die „sofortige Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung“ in der Sowjetunion gefordert. Das ZK forderte die Regierung darüber hinaus auf, alle nötigen Schritte bei den Vereinten Nationen zu unternehmen, um die Kampfhandlungen in der Golfregion zu stoppen. „Wir können es nicht zulassen, daß das irakische Volk Opfer einer Politik wird, die es nicht verschuldet hat“, sagte Walentin Falin, Chef der internationalen Abteilung des ZK. „Die Logik des Friedens, die am Anfang des Konfliktes herrschte, darf nicht der Logik des Krieges unterliegen.“

Aus US-Regierungskreisen in Washington hieß es unterdessen, die USA und die UdSSR hätten eine Art Pakt geschlossen, nach dem Moskau die amerikanische Golfpolitik unterstütze und die USA sich dafür mit ihrer Kritik am Vorgehen der sowjetischen Truppen im Baltikum zurückhielten. „Wir haben ein Geschäft gemacht“, sagte ein Mitarbeiter des amerikanischen Außenministers Baker, der nach eigenen Worten Anfang der Woche an der Unterredung Bakers mit dessen sowjetischem Amtskollegen Alexander Bessmertnych in Washington teilgenommen hatte. Dies habe schließlich zu der gemeinsamen Erklärung, in der Saddam Hussein ein Waffenstillstand vorgeschlagen wurde für den Fall, daß sich der Irak zum Rückzug aus Kuwait verpflichte. er