„Mit zehn Mann nichts zu machen“

■ Der Präsident des Bundeskriminalamts, Hans-Ludwig Zachert, zur künftigen Aufgabenverteilung bei der Bekämpfung illegaler Waffengeschäfte/ BKA will keine Exportkontrollbehörde werden

taz: Herr Zachert, gehören Verstöße gegen das Außenwirtschaftsgesetz oder das Kriegswaffenkontrollgesetz zu dem, was man „organisierte Kriminalität“ nennt?

Hans-Ludwig Zachert: Organisierte Kriminalität ist definiert als „zielgerichtete, arbeitsteilige Verbrechensbegehung zwecks Gewinnmaximierung oder Machterlangung“. Das heißt, auch beim Waffenexport können Elemente des organisierten Verbrechens mit Merkmalen der Wirtschaftskriminalität eine Rolle spielen. Der Export wird international abgewickelt, und es kann ein riesiger Gewinn erzielt werden. Diese Merkmale bilden oft die Grundlage der Geschäfte. Es ist auch nicht zu verkennen, daß in diesem Bereich Embargovorschriften oft umgangen werden. Das Problem ist aber, daß durch Kontrollmechanismen in wirtschaftliche Vorgänge eingegriffen werden müßte und damit die freie Wirtschaft nicht unerheblich berührt würde. Es ist sehr problematisch, administrative Formen einer solchen Kontrolle zu schaffen. Da man auch Falschdeklarationen vornehmen kann, ist es letzten Endes ein Problem der Kontrollpraxis. Das heißt, wenn die entsprechenden Güter exportiert werden, muß auch geprüft werden, was deklariert worden ist und was tatsächlich exportiert wird. Darüber hinaus können funktionsfähige Waffensysteme so zergliedert werden, daß jedes Teilstück, für sich genommen, unbedenklich ist. Am Bestimmungsort wieder zusammengebaut, ist es aber ein System, das eigentlich unter das Kriegswaffenkontrollgesetz fällt.

Verstöße gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz fallen doch ohnehin in die Zuständigkeit des BKA?

Das gilt nur für Fälle, bei denen international organisierte Waffenschieberbanden verdächtigt werden. Und so einen Verdacht müssen wir erst einmal gewinnen. Das BKA muß also prüfen, ob sich das Ganze im internationalen Bereich abspielt und ob eine Sachaufklärung im Ausland erforderlich ist. Bevor sich das nicht herausgestellt hat, ist das BKA nicht zuständig.

Wie ist denn die Aufgabenteilung mit anderen Behörden?

Alles, was den grenzüberschreitenden Schmuggel betrifft, ist vorrangig Sache des Zolls — wir sind gefragt, wenn es zum Beispiel Hinweise auf international organisierte Waffenschiebereien gibt, die einen Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz oder das Waffengesetz darstellen. Dann steigen wir mit einer zuständigen Staatsanwaltschaft ein und führen die Ermittlungen. Diese Fälle sind aber nicht häufig.

Ob illegale Waffenexporte oder im Ausland zusammengesetzte Anlagen zur Waffenproduktion: das Problem ist doch, daß es insgesamt an Kontrollen mangelt. Wo müßte angesetzt werden, um illegale Rüstungsexporte zu unterbinden?

An der Informationsseite, am rechtzeitigen Erkennen illegaler Exporte. Hier ist eine Menge zusammenzutragen, um ein Verdachtsbild zu bekommen. Das setzt die Einbeziehung in die ganze administrative Abwicklung der Genehmigungen voraus. Der Aufwand, der betrieben werden muß, ist enorm.

Schon seit 1984 ist aus den Medien bekannt, daß die Deutschen in Rabta (Libyen) bei der Produktion von Giftgas geholfen haben. Das hat keinen Staatsanwalt oder Kriminalisten interessiert.

Produktionsanlagen sind im Kriegswaffenkontrollgesetz nicht erfaßt. Gerade wegen Rabta hat das BKA vorgeschlagen, daß bestimmte Anlagen in den Katalog der Kriegswaffen aufgenommen werden. Das ist ein alter Dollpunkt, der in den zuständigen Gremien erwogen und geprüft wurde. Aber wenn man auch solche Dinge in den Katalog aufnimmt, dann geht das natürlich extrem tief in die Wirtschaft hinein. Was kann man nicht alles als Produktionsanlagen bezeichnen. Das können schon Belüftungsanlagen für eine Halle sein.

Uns scheint, sie wären gar nicht so glücklich, wenn ihnen die Verantwortung für den Bereich Kontrolle der Rüstungsexporte übertragen würde.

Das BKA ist Strafverfolgungsbehörde, keine Exportkontrollbehörde. Von daher stellt sich für mich das Problem nicht. Im übrigen kann das nur mit einem Großaufwand an Personal gelöst werden. Mit 10 Mann läßt sich da nichts machen.

Die Politik hat Ihnen also noch keine 200 Planstellen angeboten?

Nein, die Politik befindet sich noch in der Überlegungsphase. In Kürze werden wir uns mit der Bundesanwaltschaft auseinandersetzen, wie das laufen soll, welche Vorstellungen es gibt und welche Ermittlungskapazitäten wir haben. Wir werden auch darüber sprechen müssen, was die Bundesanwaltschaft will. Ob das etwa so gehandhabt werden soll wie im Spionagebereich. So daß man in bestimmten Fällen die Ermittlungsverfahren einem Landeskriminalamt überträgt, wenn es mehr regionale Bereiche betrifft, während wir die Fälle von großer internationaler Bedeutung von der Bundesanwaltschaft übertragen bekommen. Es stellt sich auch die Frage, ob das BKA eine originäre Zuständigkeit erhält oder bei der Auftragszuständigkeit bleibt. Eine umfassende originäre Zuständigkeit für das BKA scheint mir problematisch. Das schaffen wir gar nicht. Wir haben nicht die notwendigen Außenstellen, und wir müßten unmittelbare Kontrollmöglichkeiten an der Grenze haben.

Zur Zeit wird auch der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel als neues Instrumentarium zur Kontrolle des Kriegswaffenexports diskutiert...

Es gibt eine babylonische Sprachverwirrung, wenn man von nachrichtendienstlichen Mitteln spricht. Das, was wir schon „klassisch“ machen, sind auch nachrichtendienstliche Mittel. Wir haben observiert, wir haben abgehört, wir haben Briefkontrollen durchgeführt, natürlich immer auf der Grundlage der Strafprozeßordnung. Wir haben auch verdeckte Ermittler eingesetzt — das ist doch kein neues Instrumentarium.

Für verdeckte Ermittler gibt es aber nach wie vor keine gesetzliche Grundlage.

Ich habe immer gefordert, daß man uns nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung diese Rechtsgrundlagen gibt. Aber jeder Kriminalbeamte ist, wenn sie so wollen, ein verdeckter Ermittler. Das einzige, was ihn im Grunde genommen vom verdeckten Ermittler unterscheidet, ist, daß jener sich mit einer Legende ins kriminelle Milieu begibt. Er ist an Recht und Gesetz gebunden und insofern auch kein „Undercover-Agent“.

Müssen wir damit rechnen, daß in Kürze — wie Wirtschaftsminister Möllemann jetzt angekündigt hat — verdeckte Ermittler in Firmen recherchieren, die Rüstungsgüter exportieren?

Es wird sich zeigen, ob uns solche Rechtsgrundlagen gegeben werden. Bisher sind mir die Vorschläge des Wirtschaftsministers nicht im Detail bekannt, so daß ich jetzt hier keine Stellung beziehen kann.

Was halten sie von Überlegungen, diese Ermächtigungen den Landesämtern und dem Bundesamt für Verfassungsschutz zu übertragen?

Da müssen wir die Bereiche sehr vorsichtig abgrenzen. Wenn es sich um sogenannte sensitive Transporte handelt, die auch durch ausländische Nachrichtendienste eingefädelt worden sein können, ist schon jetzt der Verfassungsschutz mit zuständig. Ich sehe aber Probleme, wenn der Verfassungsschutz im gesamten Bereich der organisierten Kriminalität tätig würde. Denn das Merkmal der organisierten Kriminalität ist nicht, daß hier ein großes Vorfeld für Straftaten besteht. Organisierte Kriminalität gibt es bereits als Dauerzustand. Es geht hier nicht um Vorfeldermittlungen, daran gebricht es nicht. Aber mit dem bisherigen Instrumentarium haben wir gar nicht die Möglichkeit, das bereits bestehende organisierte Verbrechen zu erkennen. Wir brauchen beipielsweise ein Gewinnaufspürgesetz für die immensen Erlöse aus illegalen Geschäften. Das ist kein Vorfeld — da stoßen wir in eine bereits bestehende Pestbeule. Interview: Wolfgang Gast