Das Recht auf Beute

■ Schlaraffenland Bonn/ Deutsche Politiker und Parteien bedienen sich fürstlich

Bonn (taz) — Wird der alljährliche Haushaltsplan aufgestellt, können sich die Altparteien auf ein eingespieltes Ritual verlassen: Die Summen in eigener Sache werden nicht bei der Vorlage des Plans, sondern erst Monate später, in der Regel einen Tag vor der abschließenden Verabschiedung, eingesetzt. Was vorher in den Unterlagen stand, ist reines Spielmaterial. Wie sich die Parteien den Staat und das Recht zur Beute gemacht haben, belegt der Rechtswissenschaftler und Vorsitzende des Bundes der Steuerzahler, Hans-Herbert von Arnim, jetzt in seinem Buch Die Partei, der Abgeordnete und das Geld.

Im Gegensatz zu den Intentionen des Grundgesetzes finanzieren sich die Parteien nämlich nicht aus Mitgliedsbeiträgen, sondern aus der Staatskasse. In der letzten Wahlperiode bewilligten sich die Parteien auf diese Weise rund 4,2 Milliarden Mark. Damit liegen sie weit vor den Parteien jeder anderen westlichen Demokratie. Die direkten Zuwendungen an die Bundestagsfraktionen sind seit 1966 um das 25fache auf über 85 Millionen Mark im Jahr explodiert; die sogenannten Globalzuschüsse an die Parteistiftungen stiegen im selben Zeitraum um das 18fache auf 165 Millionen.

Die Abgeordneten haben trotz kritischer Anmerkungen des Bundesverfassungsgerichts mit „schier unglaublicher vordemokratischer Geheimniskrämerei“ Privilegien und Zuwendungen angehäuft, so Buchautor von Arnim. Der Bundestag plant gerade, die „Entschädigung“ der Abgeordneten von knapp 10.000 Mark monatlich um 3.000 Mark anzuheben — plus 5.400 Mark Kostenpauschale und 10.000 Mark für die Beschäftigung von Mitarbeitern. Hinzu kommen eine üppige Altersversorgung und bis zu drei Jahre laufende Übergangsgelder beim Ausscheiden. Diese Annehmlichkeiten lassen einen Abgeordneten dreimal überlegen, ob er gegen die Fraktionsdisziplin aufmuckt und damit eine nochmalige Nominierung gefährdet.

Weil die Opposition jeweils in die Selbstbedienung eingebunden wird — nur die Grünen verweigerten sich dem —, bleiben auch die Wähler machtlos. Hinzu kommen undurchsichtige Finanzierungsgesetze, wie etwa der sogenannte „Chancenausgleich“ oder der „Sockelbetrag“. Die Berechnung ist derartig kompliziert, daß man sich bei der Bundestagswahl 1990 beim Sockelbetrag um 11 Millionen Mark verrechnet hat — zu eigenen Gunsten, versteht sich. Bezeichnend deshalb auch die Reaktion auf das Buch in Bonn. Wo die Parteien ansonsten auf jede Kleinigkeit mit einer Flut von Presseerklärungen reagieren, herrschte dieses Mal durchweg Schweigen. gn.