Führende SPD-Politiker fordern Waffenstillstand

Lafontaine und Bundestagsvizepräsidentin Schmidt für bedingungslosen Waffenstillstand/ Bundestag streitet über Kriegssteuer  ■ Aus Bonn Tina Stadlmayer

Der saarländische Ministerpräsident Oskar Lafontaine hat gestern in der Diskussion um den Golfkrieg zum ersten Mal klipp und klar einen Waffenstillstand ohne Bedingungen gefordert: „Den endgültigen Rückzug des Iraks aus Kuwait zur Voraussetzung zu machen“ hieße „das Ende des Krieges mit einem Waffenstillstand zu verwechseln“. Der US-Regierung warf er vor, ihr gehe es nicht mehr um die Befreiung Kuwaits, sondern um „die Vernichtung der Kriegsmaschinerie des Saddam Hussein“. Davon jedoch stehe nichts in der UNO-Resolution.

Zusammen mit der stellvertretenden Bundestagspräsidentin Renate Schmidt (SPD) unterstützte Lafontaine auf einer Pressekonferenz die „Aktion für mehr Demokratie“ des Grafikers Klaus Staeck. Staeck gab sich „verwundert“ darüber, „daß angesichts der ungeheuerlichen Schweinereien“, die jeden Tag bekanntwürden, bislang noch niemand den Rücktritt „auch nur eines dafür verantwortlichen Politikers“ gefordert habe. Renate Schmidt warf der Bundesregierung vor, durch die Entsendung von Raketen und Bundeswehrsoldaten in die Türkei verschärfe sie die Situation am Golf. Lafontaine assistierte:

Bereits vor einigen Tagen hatte der SPD-Vorsitzende Björn Engholm bekundet, ein „Nato-Bündnisfall“ könne nun, nachdem der Irak von der Türkei aus angegriffen worden sei, nicht mehr gegeben sein. Die SPD werde deshalb dem Einsatz von Bundeswehrsoldaten nicht zustimmen. Gegenüber der taz erklärte die stellvertretende Parteivorsitzende Herta Däubler-Gmelin, die Entscheidung über den Einsatz und damit „über Krieg und Frieden“ stehe der Bundesregierung nicht zu. Falls die Regierung den Einsatz ohne Zustimmung einer Zweidrittelmehrheit im Bundestag zulasse, werde die SPD vor das Verfassungsgericht ziehen.

Regierungssprecher Dieter Vogel sieht die Verfassungslage dagegen ganz anders: Die Entscheidung über den Bündnisfall falle in die Zuständigkeit der Regierung. Er gehe jedoch davon aus, daß es vorher zu einer Bundestagssitzung und zu „Konsultationen mit den Spitzen der Fraktionen“ kommen werde.

In der Bundestagsdebatte zur Regierungserklärung stritten die Parteien gestern über den Begriff „Kriegssteuern“. Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Thierse warf der Regierung vor, Steuererhöhungen „für das friedliche Werk der Einheit“ abgelehnt und jetzt auf die Schnelle eine „Kriegssteuer“ beschlossen zu haben. Für die ehemaligen DDR-Bürger sei es eine „bittere Konsequenz der Einheit, daß wir friedlich Hinzugekommenen nun an einem Krieg beteiligt werden“. Der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Geißler griff daraufhin tief in die Polemikkiste: Die Steuererhöhungen dienten dem Ziel, den Golfkrieg rasch zu beenden. Wenn Thierse meine, „der Friede sei der höchste Wert“, dann irre er. Denn: „Wäre dies richtig, hätte Adolf Hitler sein Unrechtsregime auf der ganzen Welt ausbreiten können.“

Einen Antrag, in dem die SPD nicht nur den Rückzug der irakischen Truppen aus Kuwait, sondern auch die Einstellung der „Kriegshandlungen am Golf“ forderte, „um für politische Lösungen Platz zu schaffen“, lehnte der Bundestag gestern ab. Ebenso stimmte die Mehrheit von CDU, CSU und FDP gegen die Forderung der SPD nach einem Bericht über die deutschen Firmen, die an illegalen Rüstungsexporten beteiligt sind.