Seit dem Krieg am Golf wächst die Araberfeindlichkeit in Deutschland
: Jeder Dunkelhaarige ein potentieller Saddam?

■ Der Golfkrieg wirft seine Schatten auch auf das Leben hier. Er erschwert das Zusammenleben von Ausländern und Deutschen, von Christen und Moslems. Meldeauflagen, feindselige Blicke und Anschläge auf Flüchtlingsheime häufen sich.

Man trifft nicht alle Tage mehrere mit Maschinenpistolen bewaffnete Herren in seinem Treppenhaus. Abu Rami*, an diesem 16. Januar gegen 13 Uhr gerade auf dem Weg nach draußen, fragte die Beamten deshalb höflich, wen sie denn suchten — um festzustellen, daß das Aufgebot ihm selbst galt. Ein Durchsuchungsbefehl, nach Ansicht des unterzeichnenden Richters „zur Abwehr einer gegenwärtigen erheblichen Gefahr erforderlich und geboten“, klärte den Palästinenser, der seit 1974 in Deutschland lebt, darüber auf, daß er „als potentieller Gefährder“ gilt. Mehrere arabische Organisationen hätten bekundet, den Irak durch Terroranschläge zu unterstützen. Abu Rami, so stand zu lesen, könnte „unterstützend für anschlagsbereite Personen tätig werden“.

Während die Beamten seine Wohnung, Keller und Wagen durchstöberten, suchten deren Kollegen in rund 50 weiteren Wohnungen von Berlinern arabischer Herkunft — darunter Mitglieder von Moscheevereinen und ein Imam in Berlin- Kreuzberg — nach Verdächtigem. Sprengstoff oder Waffen fand man nicht, in einigen Haushalten wurden Adreßbücher, Notizhefte und andere Unterlagen beschlagnahmt. „Wir werten noch aus“, heißt es beim Berliner Staatsschutz. Bei Abu Rami zogen die Beamten unverrichteter Dinge wieder ab.

Mitte der letzten Woche erwischte es im noblen Bad Homburg auch Amad R. Der seit zwanzig Jahren mit einem deutschen Paß in der Bundesrepublik lebende gebürtige Marokkaner bekam um sechs Uhr morgens Besuch von zehn Beamten der Polizeistation Bad Homburg und des LKA Hessen. Bis heute kann sich Amad R. nicht erklären, warum ausgerechnet seine Wohnung von Polizei und LKA heimgesucht wurde. Sein Rechtsanwalt Manuale Mayer stieß bei seinen Recherchen nach den Hintergründen der Aktion gegen seinen Mandanten auf eine „Mauer des Schweigens“. Sein Mandant sei niemals politisch aktiv gewesen, verkehre nicht in „einschlägigen Kreisen“ und lebe seit jetzt zwanzig Jahren als unbescholtener Bürger deutscher Staatsangehörigkeit im Rhein- Main-Gebiet. Rechtsanwalt Mayer: „Das Instrument der geheimdienstlichen Durchsuchung darf nur dann angewendet werden, wenn damit eine gegenwärtige Gefahr für Leib und Leben abgewendet werden kann.“ Für Mayer handelt es sich deshalb bei der „Nacht-und-Nebel- Aktion“ gegen seinen Mandanten um einen Rechts- und Verfassungsbruch „von erheblicher bürgerrechtlicher Brisanz“. Auch den verantwortlichen Behörden müsse offenbar klargewesen sein, daß sie sich in einer „rechtlichen Grauzone“ bewegten, denn weder vom Amtsgericht noch von der an der Durchsuchung federführend beteiligten Polizei in Bad Homburg sei ein Aktenzeichen angelegt worden. Der Anwalt prüft inzwischen die Einleitung einer Verfassungsbeschwerde.

Daß die BürgerInnen in Berlin und Bad Homburg, zu denen sie sich selbst auch zählen, ein berechtigtes Sicherheitsbedürfnis haben, stellen auch der Kreuzberger Imam Boussif K. und die ebenfalls durchsuchten Mitglieder seines „Bundes der Muslime in Berlin“ nicht in Frage. Doch durch die Polizeiaktionen in die Nähe von terrorbereiten Saddam-Anhängern gerückt zu werden, empfinden sie zuallererst als gezielte Diskreditierung ihrer Religion; Araber seien per se konspirativ und der Islam eine Religion, die den Krieg predigt.

Inzwischen hat auch die Interessengemeinschaft der mit Ausländern verheirateten Frauen (IAF) schärfsten Protest gegen die Aktionen der Behörden vor allem gegen arabische oder arabisch aussehende Menschen in der Bundesrepublik angemeldet. Die Arbeitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte in Hessen hat PolitikerInnen und Medien vorgeworfen, ein Klima geschaffen zu haben, das selbst langjährige freundschaftliche Beziehungen zwischen Deutschen und Arabern erheblich belaste. Wahllos und nicht nur vereinzelt würden Hausdurchsuchungen bei unbescholtenen BürgerInnen durchgeführt und AraberInnen „drangsaliert“. Bei den Deutschen entstehe der Eindruck, daß alle AraberInnen „potentielle Terroristen“ seien.

Noch beschränken sich die Feindseligkeiten gegen AraberInnen und islamische Einrichtungen auf Pöbeleien im Alltag. Islamische Einrichtungen in Westdeutschland haben Drohanrufe erhalten, die „Islamische Telefonberatung“ in Berlin, eingerichtet von einem deutschen Muslim zur Verständigung und Aufklärung zwischen Muslimen und Andersgläubigen, erhält seit Ausbruch des Golfkrieges unflätige Beschimpfungen. Andere, wie die „Islamische Föderation“, sehen noch keine Veränderungen in ihrem Verhältnis zu den Deutschen. Aber, so Ahmet Algan von der Föderation, „wenn der Krieg weitergeht, werden sich die Ressentiments verstärken“. Sehr genau jedoch registriert der gläubige Muslim türkischer Abstammung, der Saddam Husseins Kehrtwendung zum Islam als reine Propaganda einstuft, das zunehmende Gefühl der Ausgrenzung unter Muslimen allgemein und den Arabern im besonderen. Je weiter die Dämonisierung Saddams — dessen Diktatur und Mißachtung der Menschenrechte sich für viele Araber in nichts von denen anderer arabischer Staatschefs unterscheidet — im Zuge der westlichen Propaganda schreitet, desto mehr fühlen sich AraberInnen in eine politisch ausweglose Ecke gedrängt.

Daß gerade die Palästinenser, aber auch viele Araber in Deutschland auf Seiten Saddam Husseins stehen, schreibt Ahmet Algan der Verzweiflung und Wut über die westliche Doppelmoral zu, nicht aber gewachsenen politischen Sympathien für den irakische Dikatator. Genau das hatte auch Abu Rami, der sein Durchsuchungskommando im Treppenhaus traf, bereits im Dezember einem Beamten des Staatsschutzes zu erklären versucht. Er habe bereits gegen Saddam Husseins Menschenrechtsverletzungen demonstriert, erklärte der Palästinenser dem Deutschen, „da war Ihre Regierung noch auf Seiten Iraks“. Und ob er denn wirklich glaube, daß es im Golfkrieg um das Völkerrecht ginge. Der Beamte zuckte höflich die Schultern. Seine Privatmeinung dürfe er nicht sagen. A. Böhm/K.P. Klingelschmitt

*) Name von der Red. geändert