IFM und DJ haben Zersplitterung satt

■ Demokratie Jetzt und Initiative für Frieden und Menschenrechte wollen sich zum Bündnis 90 zusammenschließen/ Gruppen der Bürgerbewegung leiden an Mitgliederschwund und Zersplitterung/ Zusammenarbeit an der Basis meist gut

Eigentlich sei es unvorstellbar, „wo in der Welt so Wahnsinniges passiert“, sich mit Statutfragen zu befassen, meinte Christian Noack in seinen einleitenden Worten zu den Delegierten von Demokratie Jetzt und IFM, aber es sei dennoch dringend. Denn die Gruppen der Bürgerbewegung in der DDR des Herbstes 1989 bilden kaum mehr als ein kleines Häuflein — und grenzen sich dennoch in verschiedenen Zirkel gegeneinander ab. Um diesen Zustand zu beenden, haben sich am Wochenende erstmals die Delegierten zumindest zweier Gruppen gemeinsam versammelt: die von Demokratie Jetzt (DJ) und der Initiative für Frieden und Menschenrechte (IFM). Zusammen haben sie knapp 1.000 Mitglieder in ihren Karteikästen, zu den basisdemokratischen Vollversammlungen kommen weniger als die Hälfte.

Unter den 100 Delegierten bestand so weitgehende Einigkeit: Die Bürgerbewegungen sollten sich unter dem Namen Bündnis 90, der durch die Fraktion in der Volkskammer und dann im Bundestag bekannt wurde, zusammentun. Die Berichte aus den Basisgruppen der fünf neuen Länder, die am Freitag abend im Haus der Demokratie in Berlin gegeben wurden, zeichneten ein ziemlich eindeutiges Bild: Die Zusammenarbeit zwischen den Gruppen vor Ort funktioniert meist gut, an vielen Orten gibt es Bürogemeinschaften, gemeinsame Fraktionen. In der Basisarbeit gibt es gute Kontakte und Kooperationen mit den Grünen. Gleichzeitig geht die Zahl der Aktiven zurück. Aus Sachsen berichtete Peter Möller (IFM): „Die Motivation fehlt ziemlich.“ In der letzten Woche habe es allerdings nur zwei Austritte gegeben. Kommentierte einer im Saal sarkastisch: „Das halten die ein Jahr nicht durch.“ Immerhin ist in Sachsen die Kooperation auf Landesebene weit gediehen, selbst die Grünen — noch nicht an die Bundes-Grünen angeschlossen — sind dabei.

Je weiter man in der Vertreterhierarchie nach oben geht, desto schwieriger scheint die Zusammenarbeit. Zwar wurden ihre Abgeordneten als Bündnis 90 gemeinsam in den Bundestag gewählt, Neues Forum und Unabhängiger Frauen-Verband lehnen es aber ab, eine gemeinsame Kooperation mit den MdBs der Fraktion zu organisieren — jeder will Einfluß auf „seine“ Abgeordneten haben. An der gemeinsamen Beratung am Wochenende war das Neue Forum auch nur mit Gästen vertreten. Heiko Lietz (NF) aus Mecklenburg, aus den Jahren der illegalen Opposition als Organisator von Friedensseminaren bekannt, räumte „ein bißchen Größenwahn“ ein. In Schwerin klappt die Zusammenarbeit mit dem NF „hervorragend“, in Rostock sei das NF „eine verstockte Gruppe“, berichteten die Delegierten von DJ und IFM. In Brandenburg ist dafür das Neue Forum an dem Versuch des Zusammenschlusses beteiligt, dort sperrt sich der grüne Landesverband. In Sachsen-Anhalt haben sich zur Abwechslung die vier Gruppen von Demokratie Jetzt in drei plus eins gespalten, in Berlin- Hellersdorf wurden die Bezirksabgeordneten aus den Gruppen ausgeschlossen, weil sie eine große Koalition eingingen. „Nur bei den Grünen — bei uns ging das schon satzungsmäßig nicht“, wirft Hans-J. Fischbeck ein.

Einhellig — nur ein paar westdeutsche Vertreter hatten Bedenken — beschloß die Delegiertenversammlung von DJ und IFM schließlich, einen Zusammenschluß anzustreben. Im Mai soll eine Arbeitskonferenz stattfinden, im Oktober soll dann Bündnis 90 mit Programm und Statut gegründet werden. Die alten Gruppen sollen zunächst bestehen bleiben, die Basis soll in der alten Gruppe bleiben und zusätzlich zu den Terminen der neuen gehen. Nicht erlaubt: Doppelmitgliedschaften mit den Grünen.

Nach diesem Zeitplan dürften die innerorganisatorischen Probleme und Konkurrenzen die Vertreter der Gruppen noch einige Monate beschäftigen. Zu Diskussionen über ihre politische Arbeit kamen die Delegierten an diesem Wochenende nicht. K.W.

Zum Streit um die israelische Fahne am Haus der Demokratie s. Kasten