Standbild: Die Entdeckung der Langsamkeit

■ "Quadriga", Sat 1, Samstag, 18.50 Uhr

Früher gab es als wöchentliche TV- Polit-Kost nur ein paar Stammessen. Ab und zu Monitor mit viel pastoraler Sauce, als Abführmittel dannReport mit einem Schuß braunen Senf — extra scharf. Inzwischen gestaltet sich die Auswahl zunehmend schwieriger, denn auch Panorama, ja selbst dieTagesthemen lassen nichts anbrennen. Wer informiert sein will, muß sich durch eine ganze Fast-Food-Kette von politischen Magazin-Sendungen fressen — ganz ZAKig in den 'Spiegel‘ sehen, um jede 'Stern'-Stunde ganz explosiv mitzuerleben. Und nun Quadriga also — die neueste Variante des bekannten Rezepts.

Es beginnt — womit auch sonst bei diesem Titel — mit einer Digital- Animation der Quadriga vom Brandenburger Tor. In die Umrisse der Skulptur werden per Trick ein paar aktuelle Bilder eingestanzt, zum Schluß taucht auch Dieter Kronzucker auf, bevor dann alles zu einem Schriftzug zusammenläuft, der sich schwarzrotgold einfärbt. Und damit der Schwerpunkt der Sendung auch über die gesamte Sendezeit präsent bleibt, nimmt die Studiodekoration das Motiv der Quadriga noch einmal auf — vermischt mit einer Bestuhlung, die einen Charme zwischen Stehbistro und Arztpraxis ausstrahlt.

Jede Nachricht, jeder Bericht muß also auf sein Deutschsein abgeklopft werden, bevor er durchs Brandenburger Tor in die Sendung spazieren darf. Eine inhaltliche Verbissenheit, die auch bei dieser Sendung über den Golfkrieg zur grotesken Nabelschau deutscher Befindlichkeit gegenüber den Kampfhandlungen geriet. Ein Pastor stellte seine Bibelfestigkeit unter Beweis, zwei Zivis hatten ihr Sprüchlein von der Funktionalisierung des Zivildienstes auswendig gelernt, dazu ein bißchen Frieden mit Nicole und den jugendlichen Friedensbewegten. Und alles blieb irgenwie lieb und artig und war sicher gutgemeint.

In dem Bemühen um eine andere Linie gegenüber den flotten Magazinen anderer Sender hat Quadriga die Langsamkeit entdeckt. Das muß nicht automatisch zu mehr Analyse oder zu besserer Verständlichkeit führen. Eine puttige Behäbigkeit zeichnet die Beiträge aus. Fast eine volle Minute erläutert ein Autor umständlich, von wem er keine Interviews bekommen hat. Und auch bei der Themenwahl bleiben die Hamburger seltsam träge: Die wiedererwachte Friedensbewegung, Waffenexporte deutscher Firmen in alle Welt und die Vorbereitungen der Krankenhäuer auf die Flut der Verletzten; diese Berichte brachten kaum neue Aspekte in die zerkaute Kriegsberichterstattung. Unter kulinarschen Gesichtspunkten bot das neue Magazin einen eher zweifelhaften Genuß. Quadriga gab diesmal nur vorverdautes Zeug von sich. Wohl bekomm's.Christof Boy