Friedenspolitik in den 90er Jahren-betr.: "Änderung der Parole" von Ralf Fücks und Bernd Ulrich, taz vom 23.1.91

betr.: „Änderung der Parole“ von Ralf Fücks und Bernd Ulrich,

taz vom 23.1.91

Richtig ist: Die Muster der alten Friedenspolitik der 80er Jahre passen nicht mehr. Der Grund dafür ist aber nicht ein neues Weltgefüge, denn das gibt es noch nicht. Neu für die Friedensbewegung ist: Es ist heißer Krieg, nicht kalter Krieg. Es werden Waffen eingesetzt mit massenhafter Vernichtungswirkung und -absicht, nicht mehr nur aufgestellt mit dem Ziel der Abschreckung, was uns schon als ungeheuere Bedrohung erschien.

Es gibt ein breites Wissen um die Verstrickung der BRD, ihrer Rüstungs- und High-Tech-Konzerne und -Klitschen in der materiellen Vorbereitung dieses heißen Krieges, verbunden mit der schrecklichen Realität eines nicht bewältigten Traumas: daß die Israelis wiederum durch deutsches Giftgas ausgelöscht werden sollen.l

Es gibt das weiter zu verbreitende Wissen, daß es im Rahmen der bisherigen „Weltordnung“ des Kalten Krieges eine Unterordnung gab, nämlich die ökonomische und strategische Instrumentalisierung der arabischen und islamischen „Welt“, die offensichtlich mit einer tief empfundenen Demütigung einhergeht. Davon hat sich die wirtschaftliche Kraft des Westens durch profitable Nutzung der Ölressourcen reichlich genährt. Darin hat Israel eine tragische Rolle. Davon hat die Rüstungsindustrie weltweit profitiert.

Neu gefügt ist da überhaupt noch nichts. Man kann nicht einmal sagen, die alte Weltordnung sei „aus den Fugen geraten“, weil dies die Prozesse und Konflikte verharmlost, die schon lange im Gange sind und sich durch den Krieg am Golf enorm zuspitzen.

Richtig ist: Die Kriegsgründe dürfen nicht auf das Öl reduziert werden. Daß die Ressourcenfrage ökologisch und nicht mehr (anti-)imperialistisch zu stellen ist, muß sich allerdings in erster Linie an die USA richten. Denn anders, als durch die dort immer noch vorherrschende fixe Idee, Ölressourcen müßten militärisch gesichert beziehungsweise ihre Sicherung militärisch zurückerobert werden, kann ich mir die allzu schnelle Instrumentalisierung des Völkerrechts durch die USA für den Waffengang am Golf nicht erklären. Da hätte ich mir dann doch ein stärkeres weltpolitisches Gewicht der Bundesrepublik gewünscht in der UNO oder selbst im Sicherheitsrat, wo es den Vorschlag der BRD-Mitgliedschaft immerhin gab, auch um die striktere und beharrlichere Durchsetzung des Embargos gegen den Irak zu verbinden mit einer ökologisch orientierten Strategie hinsichtlich des Öls. [...]

Richtig ist: Es geht auch um Völkerrecht. Aktuell geht es um das Völkerrecht in Kuwait, weil es gewaltsam und äußerst brutal von Saddam Hussein annektiert wurde, und um das Völkerrecht von Israel, weil die Giftgas-„Endlösung“-Drohung von Saddam Hussein manifest ist seit April 1990. Inzwischen geht es auch um das Lebensrecht des irakischen Volkes, das unter den Massenbombardements stirbt. Warum ist nur die Befreiung Kuwaits das Ziel der UN- Resolutionen? Warum wurden sie versehen mit einem Ultimatum zur Auslösung des Krieges, den das Völkerrecht doch eigentlich ächtet und wodurch sich die UNO und der Sicherheitsrat in unverantwortlicher Weise auf diesen Krieg festgelegt haben, so daß dort bisher keine Waffenstillstandsinitiative beraten wird?

Es ist richtig, das Völkerrecht als politisches Motiv in den internationalen Konfliktlösungstrategien zu stärken, und deshalb darf man es nicht einfach als bloße Legitimationsattrappe beiseite wischen. Aber wie gehen wir um mit der Erfahrung der Vernachlässigung und häufig massiven Verletzung des Völkerrechts durch die bisherigen Supermächte während der Weltordnung des Kalten Krieges? Und wie mit der Instrumentalisierung des Völkerrechts durch die USA, die es im Laufe des vergangenen Herbstes leider geschafft haben, das Interesse der Völkergemeinschaft an der Zurückweisung und Sanktionierung der völkerrechtswidrigen Annektion Kuwaits mehr und mehr zu nationalisieren? Es ist ungeheuer schwierig und doch dringend notwendig, glaubwürdige Träger und AkteurInnen für das Völkerrecht zu finden. Darin sehe ich eine Aufgabe der Friedensbewegung.

Richtig ist: Auch die nichtmilitärische Konfliktstrategie am Golf birgt Risiken, gerade weil die nördliche Anti-Irak-Allianz, inklusive BRD, dem Irak, aber auch anderen Staaten der Region zu militärischer Hochrüstung verholfen hat. Deshalb müssen das Embargo und die Nahost-Friedenskonferenz verbunden werden mit Verhandlungen zu kontrollierter Abrüstung und mit ökologisch orientierter Umverteilung der Ölgewinne, unter anderem. Und in unserem Land haben wir die Aufgabe, geeignete politische Instrumente zum Verbot von Rüstungsexporten und sozialökologische Wege zur Rüstungskonversion durchzusetzen. [...] Imma Hillerich, Grüne aus

Duisburg, ex-MdB

Ein Kommentar ist vielleicht deshalb in seiner Einfachheit so überraschend, weil vor lauter (berechtigter) moralischer Empörung die Sicht auf einfache, aber gute Argumente schwer geworden ist. „Wer die Öffentlichkeit überzeugen will, muß die besten Motive und Argumente des Gegners entkräften, nicht seine schlechtesten.“ Wollen einige überhaupt die Öffentlichkeit überzeugen, oder sehen viele nicht einfach nur ihre Wertvorstellungen bestätigt?

Ist nicht wirklich das Argument, „für unser aller wirtschaftliches Interesse auch ein Opfer zu bringen“, das schlechteste für einen Kriegseinsatz? Da haben wir es einfach und antworten, „kein Blut für Öl“. Wir sind im Recht und belassen es dabei.

Akzeptieren wir allerdings auch berechtigte moralische Ansprüche für die Position der von Saddam Hussein Geschundenen, nehmen wir das Leid vieler Menschen (Kurden, Juden und Oppositionelle) wahr, bleibt wirklich nur noch eine Frage, die entscheidende: Kann Krieg ein Mittel der Politik sein? André Lichtschlag,

GV-Wevelinghoven

[...] Die von Fücks und Ulrich vorgeschlagene Demo-Parole „Krieg ist kein Mittel der Politik“ fällt weit hinter die brutale Realität des totalen Bombenkrieges und allgemeiner der „Verwüstung des Menschen durch den Menschen“ (Drewermann) zurück. Wer allein mit Ökologie glaubt Politik machen zu können wie Ralf Fücks, der wird dann auch so schnell in das Heer der Kriegsverharmloser und Beschwichtigungsstrategen einrolliert. Er produziert dann nur noch ein ausgewogenes Wischi-Waschi in einer gänzlich unausgewogenen, jeden fühlenden Menschen empörenden Kriegssituation. [...] Dr.Adam Zurek, Bremen

[...] Die neue Fückssche Parole (...) soll also lauten: „Krieg ist kein Mittel der Politik“. So? Dann hat der Krieg Amerikas in Panama keine politischen Ergebnisse gezeitigt? Dann war, andersherum, der Krieg der Vietkong gegen die US-Aggression ganz ohne Resultat? Oder verwerflich? Dann ist die seinerzeitige taz- Spendenaktion „Waffen für El Salvador“ vom Teufel? Nein! Fücks und Konsorten betreiben das Geschäft der allfälligen Entpolitisierung: Nachdem die „Marktwirtschaft“ bei Grünen und taz zur unhinterfragten Prämisse menschlichen Glücks stilisiert wurde, darf die Dynamik kapitalistischer Produktion, die ihre ganze Häßlichkeit (nicht erst seit gestern) am Golf offenbart, nicht mehr Gegenstand der Analyse sein. Die Suche nach den „besten Motiven“ George Bushs offenbart das ganze Elend der ex-linken „Realpolitik“: bloß keine politische Analyse zulassen, die politische und ökonomische Kausalitäten, „Schuld“ gar, zutage treten ließe. [...] Rüdiger Haude, Aachen

[...] Von ihrer Parole halte ich gar nix. Das genaue Gegenteil wird der Welt wieder einmal — mit unzähligen Opfern — vor Augen geführt. Wer hat in der Bundesrepublik denn Saddam Hussein beschönigt und die USA dämonisiert? Otto Schily würde hier wohl von verzerrter Wahrnehmung der Wirklichkeit sprechen.

Fücks/Ulrich wollen den Westen mit Völkerrecht in Verbindung bringen. Klingt wunderschön. Aber die Frage sei erlaubt: Wer hat denn den Giftgasangriff gegen Kurden und Iran (1 bis 1,5 Millionen Tote) ermöglicht durch Finanzierung, Waffenlieferungen, Giftgasfabriken, militärische Informationen (durch Satelliten etc.), wenn nicht besonders USA, Frankreich, Deutschland und Kuwait?

Natürlich geht es um Öl (und damit verbunden um viel Geld, Macht etc.). Aber nur deswegen, weil die übergroße Mehrheit der Menschen, besonders im Westen, von ihrer Ölgier nicht lassen kann wegen ihrer automobilorientierten Lebensweise. Energieverschwendung führt also nicht nur auf längere Sicht zur ökologischen Katastrophe, sie bewirkt auch Kriege. Die Forderung „Kein Blut für Öl“ ist also genau richtig. Ulrich Hemke, Stade

[...] Dem Westen geht es natürlich nicht auch um Völkerrecht. Die Palästinenserfrage, Grenada, Panama, Lateinamerika, die Lage der Minderheiten in den USA und Westeuropa seien hier nur kurz aufgeführt.

Dem Westen geht es natürlich um Sicherung seiner kolonialwirtschaftlichen Interessen und der Beeinflussung von Vorgängen auch in entfernten Regionen in diesem Sinne. Der Kapitalismus, auch in der Ausprägung als „freie Marktwirtschaft“, bedingt Kriege wie diesen im Irak, zur Sicherung der Profitraten und zur Deckung des Konsumwahns seiner Bevölkerungen. Mittels letzterem ist es ihm gelungen, relative Ruhe in den Zentralen des „freien“ Westens herzustellen. Kurz und gut: Dieses System macht keine Fehler. Es ist der Fehler. [...] Ludwig Bayerer, Zenting