Kein Roger Milla der Demokratie

■ Versucht Präsident Biya, die Opposition durch Foulspiel auszutricksen?

Manches hat sich in Kamerun geändert, seit im Sommer 1990 die Fußball-Nationalmannschaft des Landes die Herzen der Welt eroberte. Nicht nur taumeln die „Löwen“ von einer Niederlage in die andere, auch das politische Terrain ist glitschiger seitdem Präsident Biya mit politischen Reformen ernst macht. Schon während Roger Milla sein Millionenpublikum noch begeisterte, regte sich gegen die Zustände im Land selbst ein ständig offenerer und breiterer Protest. Bischöfe und Bauern schrieben Protestresolutionen und demonstrierten gegen Mißwirtschaft, Korruption, Menschenrechtsverletzungen, Einparteienherrschaft. Im Dezember schließlich beschloß die Regierung und ihr Einparteienparlament die Legalisierung von Oppositionsparteien. Inzwischen haben über 20 Formationen ihre Registrierung als politische Parteien beantragt — manche von ihnen durchaus Freunde des Präsidenten.

Für die „Union des Populations du Caméroun“ (UPC), älteste politische Gruppierung des Landes, ist die gegenwärtige Situation eher Anlaß zur Vorsicht. Zu unsicher sind noch die Absichten der Regierung, und der Unterdrückungsapparat des Regimes ist noch intakt. Gegründet wurde die UPC im Jahre 1948 von Ruben Um Nyobé, mit französischer Hilfe. Als sie entgegen den Vorstellungen ihrer Mentoren aus Paris die Unabhängigkeit Kameruns forderte, wurde sie verboten und in den Untergrund getrieben. In einem schmutzigen Krieg der französischen und britischen Kolonialmächte, welche bis zur Unabhängigkeit 1960 das Land unter sich aufgeteilt hielten, kamen Tausende ums Leben, im Jahre 1958 auch Parteigründer Nyobé. Die unabhängige kamerunische Regierung unter Ahmadou Ahidjo legalisierte die UPC zunächst, verweigerte jedoch eine Amnestie für unter den Franzosen ins Exil getriebene Mitglieder der Organisation. Spaltungen und Ermordungen schwächten die UPC, die bald wieder den Guerillakampf aufnahm.

Nach Zusammenbruch des Kampfes 1971 existierte die Partei weiter im Exil, doch reklamierten immer mehr Exilkreise das Erbe von UPC-Gründer Nyobé. An den Reaktionen dieser verschiedenen Gruppen auf die einsetzende Demokratisierung zeigt sich, wie leicht Kameruns Machthaber die Opposition in Verwirrung stürzen können. Nachdem präsident Biya erstmals die Freilassung politischer Gefangener ankündigte — ein bis heute nicht eingelöstes Versprechen — gründet im Juni 1990 Ndeh Ntumazah, letzter noch lebender UPC-Führer aus der Kolonialzeit, im Exil eine „Kamerunische Demokratische Front“ (FDC), um die verschiedenen Oppositionsgruppierungen unter einen Hut zu briingen. Der ehemalige UPC-Guerillaführer Ngouo Woungly- Massaga, im angolanischen Exil, schlägt stattdessen einen „runden Tisch“ der Opposition unter Führung des Schriftstellers Mongo Beti vor — Anlaß zum Ausbruch persönlicher Streitereien. Am 3. Oktober kommt der Eklat. Woungly-Massaga, der alte Guerillaführer, schreibt einen unterwürfigen Brief an Präsident Biya und kündigt die Gründung einer „Partei der Volkssolidarität“ sowie das Ende seines Exils an: „In der gegenwärtigen Situation wäre meine Rückkehr äußerst dienlich, um eine wahre Psychotherapie der Ausmerzung postkolonialer Traumata durchzuführen. Es ist unfaßbar, daß nationale Persönlichkeiten wie Mongo Beti oder Ndeh Ntumazah weiter im Exil leben, während seit acht Jahren ein Intellektueller Ihrer Statur das Land regiert.“

Opposition und Regierung sind verwirrt. Die UPC im Ausland kritisiert Woungly-Massagas Schritt, ist sich aber unsicher, ob ihm nicht doch viele Anhänger folgen könnten. In der Regierungspartei selbst sind die Meinungen gespalten: Soll man nicht jetzt einfach die Opposition legalisieren? Im Dezember trifft Biya die Entscheidung: Parteigründungen sind legal, dafür werden die Antisubversionsgesetze verschärft und die Pressezensur auf eine neue gesetzliche Grundlage gestellt.

Der Testfall für die neuen Freiheiten folgt sehr schnell. In der Zeitung 'Le Messager‘ prangert der Schriftsteller Célestin Monga den politischen Verfall Kameruns an und wird wegen „Beleidigung des Staatsoberhauptes, der Gerichte und der Nationalversammlung“ vor Gericht gestellt. Der Prozeß im Januar 1991 wird von Demonstrationen in mehreren Städten begleitet und erregt international Aufsehen. Doch das relativ milde Urteil — sechs Monate auf Bewährung — läßt möglicherweise darauf hoffen, daß der Prozeß der Demokratisierung nicht an den Toren der Justiz haltmacht. D.J.