Palästinenser werden gezielt observiert

■ Wie deutsche Behörden die Bevölkerung verunsichern

München (taz) — In Bayern verschärft die Kriminalpolizei ihre Bemühungen, Anschlägen von terroristischen Arabern vorzubeugen. Von Observierungen und Vorladungen sind insbesondere die etwa 1.200 Münchner PalästinenserInnen wegen ihrer vermeintlich proirakischen Gesinnung betroffen. Günter Beckstein, zuständiger Staatssekretär des Inneren, spricht von 50 gezielten Observierungen und 20.000 „Informationsgesprächen“.

Schon am 12. Dezember wurde Fuad Hamdan, „staatlich geprüfter Deutscher“ und Palästinenser „Betreff: Golfkrise“ zur Münchner Kripo zitiert, um — im Klartext — terrorverdächtige Freunde zu denunzieren. Seitdem patroulliert die Polizei verstärkt vor Hamdans Haus oder wirft einen Blick durchs Kellerfenster. Auch bei Taher Ismael, dem Vorsitzenden des Palästinensischen Arbeitervereins, steht die Polizei „auf der anderen Straßenseite“. Viele Palästinenser klagen darüber, daß ihre Telefongespräche gestört und unterbrochen werden. „Immer wenn im Nahen Osten etwas passiert, werden wir zu Topterroristen“, sagt Ismael. Beide Männer leben seit den 60er Jahren hier und haben sich in der Vergangenheit gegen Giftgasangriffe auf Kurden und den drohenden Golfkrieg gleichermaßen engagiert. Fuad Hamdan ist zudem Initiator eines israelisch-palästinensischen Gesprächskreises. Mittlerweile kämpft er vor allem gegen die „Diffamierungskampagne der Polizei“.

Tatsächlich sind die polizeilichen Maßnahmen öffentlichkeitswirksam. Am 18. Januar behelligte das Polizeirevier Chiemgauer Straße den im Libanon aufgewachsenen Palästinenser Ghazi Salame gleich zweimal während der Arbeitszeit. Die Mitarbeiter nennen ihn nun „Ghaddafi“. Und da sich das Gebäude der Firma Schmigle gegenüber einer US-Kaserne befindet, nahm die zuständige Treuhandgesellschaft zwei Tage später prompt einen rauchenden Mülleimer zum Anlaß, den Mitarbeitern mitzuteilen: „Wir bitten sie — aufgrund der aktuellen politischen Lage — um besondere Aufmerksamkeit im Hinblick auf sich auffällig verhaltene Personen innerhalb des Objekts“.

Die Vorsichtsmaßnahmen der Polizei, Observierungen etwa, basieren auf der Grundlage des jüngst verabschiedeten Polizeiaufgabengesetzes (PAG). Das Abhören von Telefongesprächen muß durch eine richterliche Entscheidung oder die „G10“- Kommission des bayerischen Landtags abgesichert sein, die sich mit Eingriffen in die Persönlichkeitsrechte befaßt. In beiden Fällen werden die PalästinenserInnen kaum erfahren, was über sie gespeichert ist. Da eine Auskunft die polizeilichen Maßnahmen zum Schutz vor Terroranschlägen behindern könnte, so ein Polizeisprecher, werde man „verständlicherweise“ schweigen.

Doch die neuerliche Datenbeschaffungskampagne der Polizei ist mehr als ein Streit um informelle Selbstbestimmung, meint der Münchner Rechtsanwalt Hartmut Wächtler. Die kaum verdeckte Observierung und das Aushorchen verunsichern die deutschen MitbewohnerInnen und transportieren das opportune Feindbild dieses Krieges.

Fuad Hamdan sagt: „Ich lebe seit 20 Jahren friedlich in Deutschland — und plötzlich bin ich ein verdächtiger Terrorist. Kriminell ist für mich, daß Deutschland Israel in diesem Krieg unterstützt. Warum ist die Besetzung Kuwaits schlimmer als die Palästinas?“ Mirjam Schaub