: Bremerhaven: Bremer Abfall-Pläne nichts als Müll
■ Magistrat verklagt Senat vor dem Verwaltungsgericht / Historischer Müllkompromiß Makulatur?
Bremerhaven und Bremen vereinbaren abfallwirtschaftliche Zusammenarbeit! MVA wird 1997 geschlossen! Der Restmüll in der Bremerhavener MBA verbrannt! Von diesem Jahr an zahlt Bremen dafür eine Art Ablaßzahlung von 2,2 Millionen Mark!
Noch im Oktober plumpsten bei der Umweltsenatorin diverse Steine von müllgeplagten Seelen, war der Jubel einvernehmlich, daß jahrelanges Vorgeplänkel und ein monatelanger Poker endlich zu Ergebnissen geführt hatten, dem sogenannten Optionsvertrag. Zu früh. „Die Behauptung, wir hätten uns auf eine abfallwirtschaftliche Zusammenarbeit geeinigt, ist Unsinn. Die Vertragsverhandlungen haben ja noch nicht einmal begonnen.“ Mit diesen Worten stufte gestern der Bürgermeister Heinz Brandt die Bremer Vorfreude auf Bremerhavener Normalmaß zurück. Und dieses Maß war am Donnerstag abend von der Stadtverordnetenversammlung gesetzt worden. Die beschloß auf dringlichen Antrag der SPD — Fraktion: „Der Magistrat wird aufgefordert, den Optionsvertrag mit der Stadtgemeinde Bremen zur Verbrennung Bremer Mülls in der MBA Bremerhaven erst dann zu unterschreiben, wenn die vorliegenden Bescheide zu Planfeststellungsverfahren bezüglich der MBA Bremerhaven rechtskräftig im Sinne der Stadtgemeinde Bremerhaven geändert worden sind.“ Klartext: Wenn Bremens Landesregierung nicht tut, was Bremerhaven verlangt, will Bremerhaven der Stadt Bremen nicht aus den Müllproblemen helfen.
Der Brennstoff, der das Müllfeuer neu entfacht hat, heißt Planfeststellungsbeschluß und liegt seit dem 4. Januar auf dem Tisch von MBA-Geschäftsführer Heinrich Kettler. Der hatte bereits 1988 beantragt, erstens die Mengenbegrenzung in der MBA (bisher 280.000 Tonnen jährlich) aufzuheben, und zweitens eine Nachrüstung der Rauchgaswäsche durchführen zu können. Kettler zu dem Bescheid: „Man hat uns damit überrascht, daß wir jetzt das Mülleinzugsgebiet für ganz Bremen sind.“ Denn in dem Bescheid ist nicht nur festgelegt, daß in der MBA künftig 315.000 Tonnen verbrannt werden dürfen und in welchem Zeitraum die Anlage umwelttechnisch verbessert werden muß, sondern auch welcher Müll vorrangig verbrannt werden muß, nämlich „Siedlungsabfälle aus dem Lande Bremen“. Zwar können die Landkreise Verden, Emden, Cuxhaven und Osterholz-Scharmbeck ihren Müll bis zum Ende der jeweiligen Vertragsdauer in Bremerhaven verbrennen, doch neue Verträge sind von der Zustimmung der Umwelt-Senatorin abhängig. Dies läßt Bürgermeister Heinz Brandt gar von „obrigkeitsstaatlichen Mitteln der Landesregierung“ und „Amtsmißbrauch“ reden. Gemeint ist damit Umweltsenatorin Eva-Maria Lemke-Schulte. Denn diese hat auf der einen Seite als stadtbremische Politikerin das Bremer Müllproblem im Auge, nutzt jedoch als dienstrechtlich zuständige Senatorin das Landesrecht, um Bremerhaven Vorschriften zu machen. So sehen es zumindest die Bremerhavener. Und die haben neben dem „So nicht“-Beschluß der Stadtverordneten-Versammlung auch noch das Verwaltungsgericht angerufen, da sie den Planfeststellung-Beschluß für rechtwidrig halten.
Wolfgang Bonberg, Abteilungsleiter Umwelt bei Lemke- Schulte, kann die Bremerhavener Aufregung offenbar nicht so recht nachvollziehen. „Es ist bundesweit einheitlich geregelt, daß die Einzugsbereiche einer solchen Anlage festgelegt werden müssen.“ Schließlich werde die bisher zwischen Bremerhaven und Bremen vereinbarte Zusammenarbeit bei der Abfallentsorgung durch den Beschluß „materiell nicht berührt“. Und in der Tat schreibt der Planfeststellungsbeschluß nur fest, was in den Absprachen vom Oktober zum Optionsvertrag bereits Konsens war.
Was also treibt Bremerhaven tatsächlich um, fragen sich Insider und kommen bei der Suche nach der Antwort schnell auf das Thema Finanzen. Bislang war verabredet, den Bremerhavener für ihre Verbrennungsbereitschaft jährlich 2,2 Millionen Mark zu überweisen, eine Summe, die damals vielen in der Bremerhavener SPD als zu gering erschien und die Bremen nun möglicherweise noch einmal aufstocken muß.
Am Mittwoch bereits werden sich Lemke-Schultes Staatsrat Jürgen Lüthge und Heinz Brandt zur nächsten Verhandlungsrunde treffen. Bürgermeister Wedemeier, der sich inziwschen als „Schirmherr“ der Verhandlungen sieht, erwartet, daß sich die Umweltsenatorin und der Magistrat bis Ende Februar außergerichtlich verständigen. Und in der Tat gibt es Zeitdruck: Denn ansonsten schleppt die SPD ihren Müllberg mit in den Wahlkampf hinein. Holger Bruns-Kösters
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