Was tun, wenn sich »desire« auf »fire« reimt?

■ Wie die Berliner Hörfunksender musikalisch auf den Golfkrieg reagieren/ Auch Antikriegssongs stehen jetzt auf dem Index/ Ebenfalls gestrichen: »Deine Spuren im Sand« und »Love is a battlefield«/ Nur DT 64 und Radio 100 bleiben cool

Berlin. Die Berliner Rundfunkanstalten haben mit zum Teil einschneidenden Änderungen in ihrem Musikprogramm auf den Golfkrieg reagiert. Auf Dudelhits à la Don't worry, be happy! warten RIAS-2- Hörer derzeit vergeblich. Aber auch viele Songs, die sich mit dem Thema Krieg beschäftigen, werden beim Radio im amerikanischen Sektor (RIAS) zur Zeit nicht mehr gespielt: So der Soulklassiker War von Edwin Starr oder der Popsong We didn't start the fire von Billy Joel. Der Musikcomputer des SFB hat indessen alle Titel aus dem Programm geworfen, in denen die Wörter »sterben« und »töten« vorkommen. Kurz nach Ausbruch des Golfkriegs haben die RIAS-Programmacher »alle schnellen Titel rausgenommen« und im wesentlichen langsamen Soul der 70er und 80er Jahre gespielt, wie Musikchef Henry Gross berichtet. Die Titel würden zur Zeit aber gerade »neu gemischt«, da man ein langsames Programm »auf Dauer auch nicht machen kann«.

Weitere Songs, die dem Krieg zum Opfer fielen: der Schmachtfetzen Deine Spuren im Sand von Howard Carpendale, der Rocksong Love is a battlefield von Pat Benetar, Your're in the army now von Status Quo, I shot the sherif von Eric Clapton oder 99 Luftballons von Nena. Hoch im Kurs steht beim RIAS dagegen John Lennon mit seinen beiden Balladen Imagine und Give peace a chance. Diese beiden Titel hat der britische Radiosender BBC zusammen mit weiteren 67 Songs auf eine Index-Liste gesetzt. Nach dem Motto: Alles, was mit Krieg, Frieden, Wüste und Amerika zu tun hat, fliegt raus.

Beim linken Alternativsender Radio 100 hat man dagegen »keine gesteigerte Rücksicht« auf den Krieg genommen. Das Programm, so Musikredakteur Hans Knobloch, habe sich kaum verändert. »Das machen zur Zeit ja alle. Ich kann meinen Hörern nicht antun, immer nur John Lennon zu spielen!« meint er weiter. Statt dessen brächte der Sender ab und zu »kleine Spitzen«, die so Knobloch, ironisch gemeint seien. Beispielsweise Killing an arab von The Cure, Drop the bomb von Trouble Funk oder Kill the poor von den Dead Kennedys.

Ebenfalls auf eine Index-Liste verzichtet hat das Jugendradio DT 64. Man habe zwar das Musikprogramm bei Ausbruch des Krieges unterbrochen, berichtet Musikchef Wolfgang Martin. Das handgemachte, nicht computergesteuerte Programm sei aber nicht geändert worden. Für Martin kommt es darauf an, »in welchem Kontext der Song gespielt wird«. Die Entscheidung, welcher Titel gespielt werde, würde bei DT 64 der diensthabende Musikredakteur treffen. Aber man achte auf eine »gewisse Pietät«.

An den Musikwünschen der Hörer, so ein RIAS-Mitarbeiter, habe sich durch den Golfkrieg wenig geändert. RIAS 2 sendet täglich zwei Stunden lang Wunschhits. Musikchef Henry Gross berichtet aber, daß viele Hörer im Sender angerufen und sich über einzelne Songs beschwert hätten. Schon eine Refrainzeile, in der das Wort »fire« vorkommt, hätten einige Hörer für »geschmacklos gehalten«. »Ich hab' denen dann gesagt, daß der Song wirklich gar nichts mit Krieg zu tun hat!« meint Gross. Denn »fire« reimt sich in den meisten Popsongs auf »desire«, und das hat mit dem Krieg in der Wüste nun beim besten Willen nichts zu tun. ccm