Absagen und Ausstieg bei Radio 100

■ Nachdem der Mitarbeiterverein einen Verkauf von Anteilen an NRJ abgelehnt hatte, kündigte die komplette Magazinredaktion fristlos/ Aber noch keine Mehrheit für Verkauf an Schmidt und Partner

Potsdamer Straße. Der Verkauf von 38 Prozent der Geschäftsanteile des linksalternativen Radio100 an den französischen Rundfunkkonzern »Nouvelle Radio Jeunesse« (NRJ) ist gescheitert. Die zunächst verkaufswilligen Anteilseigner »MitarbeiterInnenverein« und »Toleranz e.V.« (Eldoradio) entschieden sich am Wochenende gegen NRJ. Wegen dieser Entscheidung legten die rund zehn RedakteurInnen des Nachmittagsmagazins Welt am Draht gestern ihre Arbeit nieder. Sie wollen fristlos kündigen und den Alternativsender verlassen. Finanzielle Nachteile entstehen dadurch wohl kaum für sie: Gehälter oder Honorare haben die Redakteure schon seit Monaten nicht mehr gesehen.

Der MitarbeiterInnenverein und »Toleranz« wollen nun einen Verkauf der Anteile an die Berliner Mediengruppe Schmidt und Partner (ElefantenPress, 'Titanic‘, 'Freitag‘) erreichen. Ihr Argument: Das Modell dieses Investors erlaube redaktionelle Selbstbestimmung und einen weitgehenden Erhalt der inhaltlichen Linie, insbesondere der sogenannten Minderheitenprogramme: Radio100 bleibe so ein »Medium der Gegeninformation«. Auch werde der Großteil der festen MitarbeiterInnen übernommen. Die beiden anderen Gesellschafter, Anderes Radio Berlin (ARB) und Neues Radio Berlin (NRB), halten, wie auch Teile der Redaktion, dem entgegen, daß Schmidt und Partner zuwenig Geld in Radio100 stecken würden. Es sei keineswegs sicher, ob Schmidt und Partner alle ausstehenden Honorare und Altschulden übernehme. Zudem sei der vorgesehene Jahresetat zu gering. Radio-100-Geschäftführer Thomas Thimme teilte mit, daß NRJ »ein Vielfaches« der beabsichtigten Aufwendungen der Mediengruppe Schmidt und Partner investieren wolle: »Der Redaktionsetat wird verdreifacht, Wortkompetenz bleibt erhalten.«

Ob die Gesellschafter NRB und ARB einem Handel mit der Mediengruppe vielleicht doch zustimmen werden, ist noch offen. Aber NRB- Geschäftsführer Gerd Frank lehnte bereits ab. ARB wird am Mittwoch tagen. Diskussionsgrundlage wäre ein schriftliches Angebot der Kreuzberger Mediengruppe. Doch bislang, so ARB-Geschäftsführer Dieter Rulff gestern, liegt ihm kein Modell von Schmidt und Partner vor. kotte