Elizabeth Bishop

Das schmale lyrische Oeuvre von Elizabeth Bishop (1911-1979) bildet einen Höhepunkt der amerikanischen Poesie des Spezifischen und der Empirie, die im 19.Jahrhundert mit den Gedichten von Henry David Thoreau und Emily Dickinson einsetzt. Bishop verzichtet auf die große Geste, geht nicht vom Besonderen zum Allgemeinen, sondern gibt dem exakt beobachteten Detail seine heimliche Unvertrautheit zurück. Für Harold Bloom ist sie den Dichtern ihrer und der folgenden Generation (John Berryman, Robert Lowell und John Ashbery) durch ihre hintergründig-naive Subjektivität der Sehweise, die aber bohrend wie die eines Kindes Befindlichkeiten hinterfragt und bis in die Tiefenstrukturen der gebrauchten Sprache wirkt, ein Vorbild geworden. Aspekte des Geographischen, Karthographischen und Anthropologischen sind die zentralen Anlässe und Gegenstände der meisten Gedichte. The Map (Die Landkarte, 1946), das ihren ersten Gedichtband eröffnet, hat insofern programmatischen Charakter. Klaus Martens hat sie trefflich wie folgt gekennzeichnet und zugleich ihre Schwestern im Geiste benannt: „Sie war eine Reisende, die sich ihre Fahrkarten selbst ausstellte, ihre Landkarten selbst schrieb, in der Tradition von Emily Dickinson (Die Seele sucht sich ihre eigene Gesellschaft) und Marianne Moore (Wirklichke Kröten in imaginären Gärten).“ Durch lange Auslandaufenthalte (Paris, Algier, Mexiko und vor allem Brasilien — von 1952 bis 1971) hat Bishops Werk — trotz lokaler Details — einen internationalen Cahralkter. Amerika bedeutete für sie nicht nur den Norden des Kontinents, sondern auch Südamerika, das sie für die nordamerikanische Lyrik entdeckte. Neben Übersetzungen aus dem Spanischen und Portugiesischen veröffentlichte sie lediglich vier Gedichtbände und — in Zeitschriften verstreut — Erzählungen, die erst nach ihrem Tod in einem Band zusammengefaßt wurden. Joachim Sarorius

„The Complete Poems“, N.Y. 1983/„The Collected Prose“, N.Y. 1984

Übersetzungen: Gedichte, „Das Meer und sein Strand“. Von Klaus Martens in: 'Akzente‘ 4, 1986; „Der stille Wahn“ (Erzählungen, Frankfurt 1990, von Reinhard Kaiser, Frankfurter Verlagsanstalt

Zu Elizabeth Bishop: Klaus Martens: „Das Ich des Auges oder die Lust an der Geographie“ in: 'Akzente‘ 4, 1986