: Die Benutzung der Außentoiletten ist verboten
Die Folgen von drei Wochen Ausgangssperre für Palästinenser in den israelisch besetzten Gebieten/ Militärbehörden: Es gibt noch keine Hungersnot/ Verschärfter Schießbefehl für israelische Soldaten/ Ausgehverbot bis zum Ende des Golfkrieges? ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin
Seit über drei Wochen gilt in den israelisch besetzten Gebieten ein Ausgehverbot für Palästinenser — natürlich nicht für jüdische Siedler dort. Wie Brigadegeneral Freddy Zach, Vertreter des „Koordinators für Zivile Angelegenheiten“ der Besetzungsverwaltung, erklärte, soll das Ausgehverbot aufrechterhalten werden, „solange Israel der Gefahr irakischer Raketenangriffe ausgesetzt ist“. Israel befinde sich in einem „Ausnahmezustand“, und mit der Ausgangssperre sollten „Ausbrüche der Gewalt und Opfer“ vermieden werden.
Geschäftsleute in Bethlehem erklären, die Lage sei „ärger als zu irgendeiner Zeit seit 1967“. Um Einkaufsreisen zu unternehmen, sind Händler gezwungen, zuerst ihre von Israel festgesetzten Steuerschulden zu begleichen. Landwirte konnten ihre Felder bisher nicht bestellen, sogar die Benutzung von Außentoiletten ist während der Ausgangssperre verboten.
Es ist das längste Ausgehverbot seit dem Sechs-Tage-Krieg 1967. Das UNO-Hilfswerk UNRWA hat mit der Verteilung von Lebensmittelrationen begonnen: ein Sack Mehl und drei Kilo Trockenmilch pro Familie. Laut General Zach gibt es daher unter den Palästinensern noch keine Hungersnot. Zuweilen wird das Ausgehverbot kurz suspendiert, um Einkäufe zu ermöglichen. Solche Suspendierungen gelten nur für Frauen, und da niemand mehr zur Arbeit gehen darf, haben die Palästinenser keine Einkünfte mehr.
Angesichts der Notlage der Palästinenser könnte es durchaus zu Protesten kommen, die dann von den israelischen Behörden dazu benutzt werden könnten, weitere Unterdrückungsmaßnahmen und vor allem Deportationen in größerem Maßstab zu rechtfertigen.
Ein am Sonntag veröffentlichtes Dokument der israelisch-palästinensischen Gesellschaft der Ärzte für Menschenrechte erklärt, neue Instruktionen an israelische Soldaten erlaubten es, bei jeder Verletzung des Ausgehverbots das Feuer zu eröffnen, ohne daß beispielsweise auf medizinische Notfälle Rücksicht genommen werden müßte. Mangel an lebenswichtigen Medikamenten, so das Dokument, gefährdet die Gesundheit der palästinensischen Bevölkerung. General Zach erklärte hingegen, das Gesundheitswesen in den besetzten Gebieten funktioniere normal — 93 Krankenwagenfahrer und Ärzte hätten Sonderpässe, die ihnen die Möglichkeit geben, während des Ausgehverbots in die Spitäler und Kliniken zu fahren. Wie lange das strikte Ausgehverbot andauern wird — darüber gibt es verschiedene Versionen. Nach Aussage der Militärbehörden könnte es bis zum Ende des Golfkrieges aufrechterhalten werden. Es wird auch diskutiert, ob bestimmte Kategorien palästinensischer Arbeiter im Laufe der Zeit vielleicht wieder Bewilligungen zur Arbeit in Israel erhalten sollten oder nicht.
Seit kurzem dürfen in den besetzten Gebieten insgesamt 32 pharmazeutische und notwendigste Industriebetriebe wieder produzieren — vor allem Getränke- und Bäckereibetriebe. Auch die nötigste landwirtschaftliche Arbeit darf wieder verrichtet werden.
Da nun bereits vier irakische Raketen auf die besetzte Westbank gefallen sind, ist die Frage des Schutzes gegen Raketen- und Gasangriffe akut geworden. „Die Palästinenser werden keine Gasmasken brauchen, wenn Saddam Hussein Israel nicht mehr bedroht“, erklärt General Zach dazu. „Die Lösung ist, daß Saddam Hussein aufhört, Raketen in diese Gegend zu schießen.“ Nur 50.000 der mehr als 1,7 Millionen Palästinenser sind inzwischen mit Gasmasken ausgestattet — etwa vier Prozent. Vor allem sind dies Angestellte der Besatzungsmacht, Kinder und Jugendliche konnten bisher keine Masken erhalten. Die verteilten Masken sind veraltet. Insgesamt besitzen die Militärbehörden 173.000 Gasmasken für erwachsene Palästinenser und 20.000 für Kinder. General Zach erklärt die Haltung Israels in dieser Frage damit, daß „noch vor sechs Monaten die Möglichkeit eines Gasangriffs auf die Bevölkerung in Gaza und der Westbank als undenkbar galt“.
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