Unsere Araber sind okay

■ In der Fordstadt Dearborn leben viele LibanesInnen

Dearborn, Michigan (taz) — Auch an diesem Morgen haben sich alle Stammgäste des „Mercury Coffee House“ an der Michigan Avenue wieder um den rechteckigen Tresen geschart. Helen und Berta, die beiden Serviererinnen in ihren „Operation-Desert-Storm“- Pullovern, rennen geschäftig zwischen Kaffemaschine und Küchenbüffet hin und her. „High Jeanne, lass mich Dir rasch Deine Eier bringen, damit ich dich bald wieder los bin“, begrüsst Berta mit rauher Zärtlichkeit meinen Nachbarn auf dem bonbonfarbenen Barhocker.

Seit seiner Scheidung ist Jeanne, der wie fast alle in dieser Stadt bei Ford arbeitet, jeden Morgen hier. Seitdem sein Sohn als Fallschirmjäger der 82. Luftlandedivision in Saudi-Arabien ist, braucht er noch mehr aufmunternden Zuspruch als sonst. Zwei Briefe hat er bisher bekommen. Doch die Mutter in Kentucky und seine koreanische Schwiegertochter in South Carolina, die wissen mehr. „Bisher“, so versucht sich Jeanne hier oben in Michigan zu beruhigen, „kämpfen nur Luftwaffe und Marines.“

Dearborn, von Henry Ford zur Wiege des Automobilbaus erkoren, steht voll hinter George Bush und seinen Truppen; so, als müßte die Vorstadt Detroits ihren Patriotismus besonders beweisen, wo sie doch immer wieder wegen ihres arabisch-amerikanischen Bevölkerungsteils in den Nachrichten ist. „Unsere Araber“, sagt Jeanne, „die sind in Ordnung. Die machen im Augenblick auch eine schwere Zeit durch.“ Seiner Friseuse, die wie viele der rund 12.000 arabischstämmigen Einwohner aus dem Libanon kommt, flog unlängst gar ein Ziegelstein durch–s Schaufenster.

„Das ist doch Quatsch, dieses ganze Gerede der Medien über Araber hier und Schwarze dort“ mischt sich auch Berta wieder ins Gespräch ein. „Sind doch alles Amerikaner wie wir.“ „Schau dir doch Stabschef Powell an, geboren in New York, Eltern aus Jamaica, der Mann ist heute an der Spitze.“ „Genau“, sagt Jeanne, „ohne das Militär lebte der noch in der Bronx auf Stütze, das ist doch eine tolle Chance für die Schwarzen.“

Und seine Gewerkschaft, die „United Automobile Workers“ (UAW), was meinen die denn zum Krieg? Nun, sagt Jeanne, vor dem 16. Januar sei die örtliche Betriebsgruppe, die größte im Lande, noch der üblichen liberalen Linie der Demokraten gefolgt. Aber seit Kriegsausbruch hätte sich sogar die mächtige „Local 600“, deren Hauptquartier hinter der riesigen Rougefabrik gleich gegenüber der jemenitischen Moschee liegt, der herrschenden Pro-Kriegs-Stimmung anpassen müssen.

Ausserdem hat die UAW derzeit ganz andere Probleme. Detroits drei große Autohersteller haben für die nächsten Wochen wieder Kurzarbeit angekündigt. Doch Jeanne ist über den Zusammenhang zwischen Rezession und Krieg optimistisch. „Wenn unsere Jungs vom Golf zurückkehren, dann werden sich die meisten erstmal einen schnellen Schlitten kaufen. Die haben doch dort überhaupt nichts für Weiber und Alkohol ausgeben können.“

Warum haben sich die Jungen überhaupt für neun oder dreizehn Jahre freiwillig verpflichtet? „Meiner wollte immer schon die Welt sehen“, weiß Helen. Keiner von den Soldaten habe doch im Ernst damit gerechnet, wirklich kämpfen zu müssen. „Sag das nicht“, schränkt Jeanne ein, „das sind doch alles ganz rauhe Burschen. Über Hindernisse springen, durch den Schlamm robben, dann die Seile hochhangeln, Kameradschaft, harter Sport — und dann ein Bier. Darum sind die jetzt da unten . Rolf Paasch