Kein Geld für Israels Raketenopfer

■ Israelische Presse meldet: Deutsche Waffenschmieden wollen Israel Entschädigung zahlen — aber die Rüstungsdealer denken gar nicht daran/ Sie beteuern immer noch: Wir waren nicht dabei!

Berlin (taz) — Von einer Entschädigund für die Opfer der deutschen Rüstungsexporte wollen die Waffenschieber der Republik nichts wissen. Gestern meldete 'dpa‘: Deutsche Firmen, die dem Irak bei der Entwicklung und Verbesserung seiner Waffensysteme geholfen haben, würden eine Kompensation für die Opfer der jüngsten Raketenangriffe auf Israel in Erwägung ziehen. Nach Angaben der Tageszeitung 'Jedioth Achronot‘ folgten sie damit einer Entscheidung der Stadtverwaltungen von Tel Aviv und Ramat Gan, die den irakischen Staat und die beteiligten Rüstungsunternehmen auf Schadenersatz in Höhe von mehreren hundert Millionen US-Dollar verklagen wollen. Die Zeitung berichtete, die Firmen fürchteten öffentliche Gerichtsverfahren und „unangenehme Enthüllungen“ über ihre Verbindung zur irakischen Armee.

Die Redakteure der „Jedioth Achronot“ müssen sich geirrt haben. Mögliche „Kompensationen“ sind den bundesdeutschen Rüstungslieferanten weder bekannt noch haben sie sie geplant. Wie zum Beispiel bei der „Harvert Consult Project Engineering“. Mit deren Know-how soll der Irak in die Lage versetzt worden sein, den Radius seiner Scud-B-Raketen auf 600 Kilometer zu erweitern. Kommentar der Neu-Isenburger Rüstungsexperten: „Wir sind keine Firma, die an der Aufrüstung des Iraks beteilgt war.“ Die Reichweite der Raketen sei „sicherlich nicht durch die Schrauben, die wir geliefert haben“, vergrößert worden. Mögliche Entschädigungszahlungen? „Davon hören wir zum ersten Mal.“

Auch die Firma Kolb, die tatkräftig am Aufbau des irakischen Chemiewaffenpotentials beteiligt gewesen sein soll, (siehe nebenstehenden Artikel) will von möglichen Entschädigungsleistungen nichts wissen. Wenn jemand zahlen müßte, dann doch die großen in der Rüstungsbranche, etwa Daimler Benz oder MBB. Aber auch dort wurde eine Wiedergutmachung weder angedacht noch ist sie den Betrieben angetragen worden. Die Waffenschmiede MBB - im Fall des Iraks als Hubschrauberlieferant und Generalunternehmer beim Aufbau einer Treibstoff-Fabrik beschuldigt - ließ über ihre Pressestelle ausrichten: „Wir haben keine illegalen Waffenexporte in den Irak betrieben.“

Auch die Konzernmutter Daimler Benz beteuert, dem Irak als Fahrzeughersteller „in keiner Beziehung geholfen zu haben“. Saddam Hussein sei nach dem UNO-Embargo „mit absolut nichts beliefert worden“. Ob Daimler oder MBB — für Entschädigungsforderungen „sind wir der falsche Ansprechpartner“. „Irrelevant“ nennt auch die Düsseldorfer Thyssen AG die Berichte aus Israel. Die Berichte über illegale Rüstungsexporte werden in der Konzernzentrale als „Diffamierungskampagne“ gedeutet, gegen die juristisch vorgegangen werde. Und zum Vorwurf, daß Thysssen schon 1982 dem Irak eine Schmiedeanlage zur Geschoßproduktion geliefert hat, heiß es: „Schlichtweg Unsinn.“

Bei den irakischen Raketenangriffen auf den Großraum Tel Aviv waren in der ersten Woche des Golfkriegs zwei Menschen getötet worden. Weitere zwölf starben in der unmittelbaren Folge der Attacken an Herzanfällen oder erstickten unter ihrer Gasmaske. Insgesamt sind 2.100 israelische Familien direkt betroffen. 1.300 Wohnungen und Häuser wurden zum Teil schwer beschädigt, 35 weitere völlig zerstört. Der Sachschaden wird auf mehrere hundert Millionen US-Dollar geschätzt. Wolfgang Gast