Internationale Frauenkonferenz gegen den Krieg
: Der Krieg verhärtet ALLE Fronten

■ Geradezu modellhaft bildete der dramatische Sitzungsverlauf der Frauenkonferenz gegen den Golfkrieg in der UNO-Stadt Genf die ideologischen Fronten selbst bei pazifistischen Frauen ab.

AUS GENF UTE SCHEUB

Was der Golfkrieg in den Köpfen der betroffenen Menschen anrichtet, zeigte modellhaft ein internationales Frauentreffen am Wochenende in Genf. Eingeladen hatten die im Ersten Weltkrieg unter anderem von Bertha von Suttner gegründete und mittlerweile in 28 Ländern vertretene Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit (englisch WILPF), die Organisation „Frauen für gegenseitige Sicherheit“ unter Vorsitz von Margarita Papandreou und die in vielen Ländern des Südens vertretene Internationale Demokratische Frauenföderation. Die Konflikte unter den rund 60 Frauen waren vorprogrammiert, denn neben den Vertreterinnen des Westens und des Südens trafen Delegierte aus dem Irak, Tunesien, Ägypten, Jordanien, Israel, des palästinensischen und des kurdischen Volkes aufeinander. Der Sitzungsverlauf bildete wie ein Minimodell einer internationalen Nahostkonferenz ab, in welch furchtbarer Weise der Krieg die Fronten selbst bei pazifistischen Frauen verhärtet hat. Nur unter Schmerzen und um den bösen Preis der Isolierung der israelischen und kurdischen Positionen konnten am Ende eine Resolution an den UNO-Sicherheitsrat (siehe Dokumentation), ein internationaler Friedensappell und ein Aktionskalender gegen den Krieg verabschiedet werden.

Bereits der Anfang war emotionsgeladen. Unter Tränen beschwor eine Irakerin, Mitglied des „Arabischen Komitees in Genf“, die Versammlung, alles zu tun, damit dem „Massaker an unserem Volk“ schnell ein Ende gesetzt würde. Die Bomben, die auf ihr Land niedergegangen seien, hätten schon jetzt die Sprengkraft dreier Hiroschima- Bomben übertroffen. Zunächst sah es noch so aus, als ob frau sich unter den Voraussetzungen der gemeinsamen Kriegsgegnerschaft und „sisterhood“ jenseits der männlichen Kriegslogik schnell einigen könnte. Doch bald war spürbar, daß die Spaltung zwischen der arabischen und der westlich-israelischen Welt durch diesen Krieg zum Abgrund geworden ist — zu einem Abgrund, aus dem die Emotionen jahre- und jahrhundertelanger Demütigungen der verschiedenen Völker der Region wie Lava hervorsprudelten. Besonders die ägyptische Schriftstellerin Nawal el-Saadawi, zweifelsohne eine gewichtige feministische Oppositionelle in ihrem Land, klagte in temperamentvollen Auftritten immer wieder den westlichen Kolonialismus und Neokolonialismus an, seit Dekaden mit der Stützung autoritärer Regime die Selbstbestimmung des arabischen und palästinensischen Volkes unmöglich zu machen. Aber gerade weil sie sich als Demokratin begreife, agierte sie zusammen mit den Vertreterinnen der demokratischen Opposition Tunesiens und den wenig regimekritischen Irakerinnnen in einer gemeinsamen arabischen Front gegen die Interessen der vereinsamten Israelin. Das Endergebnis: Entgegen früherer Gepflogenheiten der WILPF wurde die Unrechtmäßigkeit der Besetzung Kuwaits in der Endresolution nicht explizit und die Bedrohung Israels durch Saddam Hussein überhaupt nicht erwähnt.

Dabei hatte Maya Zaharit von der israelischen Friedensgruppe „Frauen in Schwarz“, die seit Jahren in 30 israelischen Städten gegen die Besetzungspolitik protestieren, mit bewundernswerter Ruhe immer wieder versucht, ein solches Zeichen in der gemeinsamen Erklärung zu setzen: In monatelanger Arbeit hätten die „Frauen in Schwarz“ versucht, eine Friedenskonferenz zwischen Israelis und PalästinenserInnen vorzubereiten. Doch die Verschärfung des innerisraelischen Klimas durch die existentielle Bedrohung des Krieges habe sämtliche Bemühungen zunichte gemacht. Maya Zaharit versuchte, in den Resolutionsentwürfen Passagen unterzubringen, in denen nicht nur das alliierte Bombardement, sondern auch die Raketenangriffe auf Israel verurteilt würden, in denen nicht nur antiarabische, sondern auch antisemitische Tendenzen geächtet würden. Doch das geriet spätestens dann vollends zur Unmöglichkeit, als tränenüberströmte Araberinnen mit gemeinsamem Auszug aus dem Treffen drohten. Ihre Argumentation: Es müßten auch alle von Israel verursachten Diskriminierungen aufgeführt werden, die Verweigerung von Gasmasken für PalästinenserInnen, die Besetzung der Westbank und des Gaza-Streifens sowie die Doppelzüngigkeit des Westens — der scharfe UN-Sanktionen gegenüber Israel jahrelang systematisch torpediert habe. Doch zugunsten eines möglichst schnellen Kriegsendes als höchstes gemeinsames Ziel, so Hanan Awwad als palästinensische Vertreterin der Internationlen Frauenliga, sei sie bereit, auf die Benennung all dieser Repressionen zu verzichten.

Hinter dieser Nichtbenennung versteckt sich keineswegs Großzügigkeit, sondern eine grundsätzlich andere Sichtweise. Immer wieder hörte man in der arabisch-palästinensischen Gruppe Sätze wie: „Wenn unsere Familien bombardiert werden, haben wir keine Zeit für Analysen.“ Oder auch: „Bush ist der neue Hitler und Saddam Hussein unser Bruder in der arabischen Familie.“ Solcherart Formulierungen sind ein Symptom dafür, wie stark sich selbst unter Kriegsgegnerinnen der Druck des jeweiligen politischen Lagers verstärkt hat.

Die Konsequenz war die Nichterwähnung Israels in den gemeinsam verabschiedeten Erklärungen. Aber auch die Israelin zog ihrerseits die Konsequenz und ließ sich in der Anwesenheitsliste als „Beobachterin“ eintragen — Mitglied der Internationalen Frauenliga mit Mandat mochte sie da nicht mehr sein.

Trost fand sie nur noch bei der Kurdin, die der „arabischen Koalition“ in ähnlicher Weise zum Opfer gefallen war. Eine schriftliche Erinnerung an die Tatsache, daß Saddam Hussein 5.000 KurdInnen vergasen ließ, stand schon gar nicht an. Ihr konnte es nur noch darum gehen, in der Aufzählung der Probleme dieser Krisenregion das 20-Millionen-Volk der Kurden wenigstens erwähnt zu sehen. Doch vor allem die Irakerinnen wehrten sich mit Händen und Füßen dagegen, weil die Perspektive eines autonomen Kurdistans auf Kosten des „vom Imperialismus bedrohten“ Iraks gehen würde.

Doch bei all diesen hochemotionalen Konflikten darf nicht unerwähnt bleiben, daß zwischenzeitlich doch immer wieder Gesten der Versöhnung und der Solidarität entstanden. „Denk bloß, dies wäre eine Männerkonferenz“, meinte eine griechische Delegierte in einer Kaffeepause, „ich bin sicher, sie hätten sich an Ort und Stelle bombardiert.“

Als am zweiten Tag der Konferenz gemeinsame internationale Aktionen besprochen werden sollten, war die Stimmung richtiggehend gelöst. Vielfältige Aktionen seien denkbar, so hieß es in einem schließlich verabschiedeten Katalog, wichtig sei dabei, daß sie möglichst Massencharakter haben sollten. Ein Vorschlag des internationalen Frauentreffens läuft deswegen darauf hinaus, täglich eine weiße Armbinde zu tragen und eine Stunde Arbeitszeit für Friedensaktivitäten zu opfern. Am 8. März, dem Internationalen Frauentag, seien die Frauen weltweit aufgefordert, in Trauerkleidung zu demonstrieren. Positiv aufgenommen wurde auch der Vorschlag der „Frauenaktion Scheherazade“, eine weltweite Urabstimmung gegen den Krieg und eine außerparlamentarische Nahost-Friedenskonferenz der Frauen zu mobilisieren. Auch die Frauenliga hatte das Treffen ursprünglich für die Planung einer solchen Frauen-Nahostkonferenz nutzen wollen. Doch dies fiel dem von vielen so existentiell erlebten Zeitdruck zum Opfer: „Wie sollten wir jetzt eine Konferenz im Frühling vorbereiten, wo wir nicht mal wissen, ob es den Nahen Osten im Frühjahr noch gibt? Wir brauchen viel schnellere und effektivere Aktionen, um den Krieg zu stoppen.“

Solch eine Aktion soll nun ein Friedensmarsch von Frauen auf Bagdad werden. Ein riskantes Unternehmen, ist es doch alles andere als klar, ob Saddam Hussein und die Alliierten eine solche weibliche „internationale Friedenstruppe“ nicht zwischen den Fronten zermalmen würden. Aber dennoch war die Begeisterung für diesen Vorschlag plötzlich groß. In einer ersten Sitzung beschlossen die Frauen, den Friedensmarsch womöglich in Jordanien beginnen zu lassen.