EG will gemeinsame Sicherheitspolitik

Brüssel (taz) — Die Vehemenz, mit der der „Wüstensturm“ die europäischen Integrationsbemühungen durcheinandergebracht hat, ist den EG-Außenministern sichtlich in die Glieder gefahren. Unisono beteuerten sie am Montag in Brüssel, die beim EG-Gipfel in Rom letzten Dezember angekündigte Politische Union, mit gemeinsamer Außen- und Sicherheitspolitik „so schnell wie möglich“ auf den Weg bringen zu wollen. Selbst der britische Außenminister Douglas Hurd stimmte in den Chor mit ein, obwohl gerade die martialische Politik seiner Regierung die Handlungsunfähigkeit der EG im Golfkrieg mitverursacht hat. Einigkeit konnte dann auch nur herrschen, weil die Frage, was die EG zur Beendigung des Krieges beitragen könnte, gar nicht erst gestellt wurde.

Statt dessen konzentrierten sich die Minister auf eine zukünftige gemeinsame Militärpolitik, die den Zusammenhalt der EG garantieren soll, nachdem sich die wirtschaftlichen und politischen Klammern als zu schwach erwiesen haben.

Eigens dazu gaben Bundesaußenminister Genscher und sein französischer Kollege Dumas eine der berühmt-berüchtigten deutsch-französischen Initiativen bekannt. Kernpunkt: Bis 1996 oder 1997 wird die Westeuropäische Union (WEU) in die Politische Union der Gemeinschaft integriert werden. Das westeuropäische Militärbündnis, das noch vor der Nato gegründet wurde und dem nur neun der zwölf EG-Mitglieder angehören, soll als Bindeglied zwischen EG und Nato fungieren. Die Atlantische Allianz sei für die europäische Sicherheit und Stabilität aber unverzichtbar und werde von der Verschmelzung EG und WEU profitieren, beruhigen Genscher und Dumas. Schließlich sei es auch im Interesse der USA, wenn die Europäer endlich für ihre eigene Verteidigung aufkommen. Die Verlagerung des größten Teils der US- Truppen in Europa an den Golf während der letzten Monate bietet dazu die Gelegenheit. Da davon ausgegangen wird, daß diese Truppen nicht mehr oder nur in geringer Anzahl nach Europa zurückverlegt werden, will man schnellstens das Vakuum beseitigen, das durch den Abzug entstanden ist, zumal der Golfkrieg sich ja in Richtung Iran, Türkei und Sowjetunion ausbreiten könnte.

Deswegen soll die angestrebte Politische Union mit gemeinsamer Außen- und Sicherheitspolitik zu einer gemeinsamen europäischen Verteidigung führen. Dazu gehört nach Genscher auch eine militärische Eingreiftruppe. „Die WEU hält alle Möglichkeiten auch für einen militärischen Einsatz bereit.“ Die deutsch- französische Initiative soll heute offiziell den EG-Regierungen übermittelt werden. Schon am Montag signalisierten die Außenminister Großbritanniens und Hollands jedoch „Vorbehalte“.

Auf der Tagesordnung der EG- Außenminister standen am Montag ferner zusätzliche Hilfen für Israel, die Beziehungen zur Sowjetunion sowie zu den Ländern Mittel- und Osteuropas, die Entwicklung im Baltikum sowie die von Genscher als „bedrohlich“ geschilderte Situation in Jugoslawien. Michael Bullard