Die CDU-Fraktion — ein Phantom?

■ Strobl gegen CDU: Juristen streiten, ob die Fraktion eine Rechtsperson ist

Viel Wirbel hatte die CDU Fraktion im Oktober mit der Presseerklärung ausgelöst, in der sie „die Berufung von Ex-RAF-Mitglied Ingrid Strobl“ an die Bremer Universität aufs Schärfste kritisierte. Zu recht hatte sich die Universität per Einstweiliger Verfügung gegen diese Etikettierung Ingrid Strobls als einer RAF-Terroristin gewehrt: Denn der Bundesgerichtshof hatte kurz zuvor eindeutig festgestellt, daß der Vorwurf „Mitglied einer terroristischen Vereinigung“ eben nicht aufrechterhalten werden durfte.

Brav hatte die CDU daraufhin eine neue Presseerklärung verfaßt, hatte für die gleichzeitig angeleierte Bürgerschaftsdebatte den „Skandal Ingrid Strobl“ auf deren „linksextremistische oder radikalfeministische“ Motivation zur Unterstützung eines Bombenanschlags reduziert. Die Welt schien also wieder in Ordnung.

Das fanden einzelne Mitglieder der CDU-Bürgerschaftsfraktion allerdings nicht: Sie fühlten sich für die schludrig verfaßten Äußerungen ihres Fraktionsvorstandes und die dadurch entstandene üble Nachrede keineswegs verantwortlich, weder persönlich noch als Abgeordnete — besonders, weil das Bremer Landgericht jedem einzelnen der 25 Fraktionsmitglieder per Gerichtsvollzieher mitteilen ließ: Wer von ihnen Ingrid Strobl nochmals als „RAF-Terroristin“ bezeichnet, werde mit einer Strafe von 500.000 Mark belegt. Die CDU-Abgeordneten legten gegen die Bescheide deshalb Widerspruch ein.

Gestern mußte sich das Landgericht mit den schwierigen Fragen zum Rechtsstatus von Fraktionen auseinandersetzen: Denn weder Grundgesetz noch Verfassung haben bisher festgelegt, was eine Fraktion eigentlich ist. Sie hat damit auch keinen Status als „juristische“ Person, wie es etwa bei Vereinen oder Parteien der Fall ist. Eine klare Regelung hat der Gesetzgeber seit Jahrzehnten versäumt.

Deshalb könne die Fraktion juristisch auch nicht der Prozeßpartner und Adressat einer Einstweiligen Verfügung sein: Ingrid Strobl hätte gegen ein Phantom geklagt. Die verantwortlichen CDU-Leute hätten sich hinter die Anonymität zurückziehen können, betonte die Universität durch ihren Rechtsanwalt Schottelius. Deshalb auch hatte die Kammer die Einstweiligen Verfügungen allen CDU-Abgeordneten der Bürgerschaft persönlich zugestellt.

„Wenn ich mich in die Fraktion einbinden lasse, muß ich auch billigen, was sie tut und öffentlich erklärt“, betonte Schottelius. „Unverschämtheit“ raunte daraufhin die CDU-Abgeordnete und Rechtsanwältin Karin Stieringer im Zuschauerraum und ihr Kollege Ralf Borttscheller drängte darauf, in diesem Verfahren, wie in Arbeitsgerichtsprozessen seit langem üblich, die Fraktion als rechtsfähig anzusehen.

„Aus Gründen der Praktikabilität“ scheint sich das Gericht unter Vorsitz von Wolfram Wittkowski dieser Auffassung nun doch anschließen zu wollen. Verkünden wird es dies allerdings erst in zwei Wochen. ra