Rubel rollt, Stadtadler strahlt

Erfahrungen aus sechs Jahren kommunaler Sportpolitik: das Beispiel Dortmund  ■ Von Richard Kelber

Dortmund (taz) — Ein Sportausschuß hat vor allem die wichtige Aufgabe, Mitglieder und einen Vorsitzenden zu haben. Denn wer könnte sonst allerorten repräsentieren, Pokale verteilen, Startschüsse geben, Ehrungen aussprechen und vor allem per Ehrenkarte zu den Heimspielen des örtlichen Fußball-Bundesligisten gehen?

Ansonsten könnten die paar Aufgaben, die der Sportausschuß tatsächlich wahrzunehmen hat, gut und gerne von einem anderen Ausschuß mitübernommen werden. Es hat entsprechende Überlegungen und Initiativen gegeben, doch die Resonanz auf solche Bestrebungen holte die Beteiligten schnell auf den Boden der Tatsachen zurück. Die Tatsache lautet: Der Sportausschuß ist nicht, wie das allenthalben so gedacht wird, ein politisches Gremium, in dem im Sinne des Gemeinwohls über sportliche Angelegenheiten beraten wird. Der Sportausschuß ist, was es ansonsten, zumindest so offen, in der Kommunalpolitik kaum gibt: eine Lobby für „den Sport“.

Keine Frage: Die Lobby tritt für „ihren“ Sport ein. Das geht ziemlich querbeet durch Profi- und Amateurbereich. Aber selbstverständlich schlägt das Herz der AusschüßlerInnen höher, wenn es etwa gilt, „Leistungszentren“ zu schaffen und zu erhalten. Dann sieht die Kommune auch wenig Probleme, schützend die Hand über die Vereine zu halten, die eigentlich fest versprochen hatten, ihre Anlagen mit den Zuschüssen zu errichten und zu unterhalten, die ihnen bei Planung und Genehmigung zugesagt worden waren. Irgendwie findet sich nicht nur immer ein Argument, sondern auch das nötige Kleingeld, um hier und da ein privat aufgerissenes Loch zu stopfen.

In der Regel handelt es sich um kleinere Beträge zur Unterhaltung von Gebäuden oder als Zuschuß zur Miete. Aber wenn Borussia Dortmund im finanziellen Keller sitzt, dann muß auch schon mal geklotzt werden. Ende 1984 war es, als der traditionsreiche Verein wieder einmal abgewirtschaftet hatte. Was wurde herbeigeredet? Die image- trächtige Bedeutung des Vereins ebenso wie sein hervorragender Beitrag zur Umsatzsteigerung — vor allem in der Getränkewirtschaft. In den beiden folgenden Jahren hat die Stadt Dortmund auf eine Million Mark aus der Bandenwerbung verzichtet und denselben Betrag, der aus Nutzungsgebühren fällig gewesen wäre, gestundet. Da gewisse Menschen ziemlich dicke Kartoffeln ernten, konnte der BVB den Kredit tatsächlich und angeblich sogar vorzeitig tilgen.

In einer Großstadt wie Dortmund ist die Großmannssucht zu Hause. Dortmund ist Heimat verschiedener Leistungszentren und hat selbstverständlich auch Ort verschiedenster sportlicher Großveranstaltungen zu sein: Tischtennis-WM, Tennis-Davis-Cup, Formationstanz-WM, Deutsches Turnfest, Eishockey-WM (1993). Voraussetzungen für solche Ereignisse werden geschaffen durch den Bau einer zweiten Eishalle an der Westfalenhalle, damit die Stars auch wirklich Platz haben und nicht frieren, wenn sie trainieren. Da rollt der Rubel und der Stadtadler strahlt.

Der Professionalismus, auch wo er in Amateurgestalt auftritt, findet selbstverständlich immer und überall das Sportausschuß-Wohlgefallen. Denn der hat ja „was zu bieten“. Zu welchen Kosten, das interessiert eher am Rande. So hat es eine herbe Auseinandersetzung über die Frage gegeben, ob die einzige 50-Meter- Schwimmhalle an den meisten Wochentagen für Amateure und Alltagsschwimmer gesperrt werden soll. Gewonnen haben die Profis, die damit drohten, in andere Gefilde abzuwandern. Wir werden lange darauf warten müssen, bis einmal von Mehrheitsseite darauf geantwortet wird: „Ja und? Ob ihr durch das Südbad schwimmt oder in China ein Sack Reis umfällt, ist für andere Menschen in Dortmund und auch für die Kommune kein Unterschied.“

Selbstverständlich muß jede Sportanlage behandelt werden wie andere Bauten auch. Aber die Frage, ob es denn wohl möglich sei, die Kosten für Sporthallenbau zu drücken, macht schon größere Probleme. Zwar hatte der Rat der Stadt Dortmund beschlossen, daß die Verwaltung sich darum kümmern solle, aber erst mehrere Jahre später gab es konkrete Aussagen. Und zwar nicht, weil die Verwaltung sich gekümmert hatte, sondern weil die SPD-Fraktion zufällig (!) von einem kostengünstigen Sporthallenbau in der Nachbarstadt erfahren hatte.

Prüfen sollte die Verwaltung auch die Möglichkeit, Sporthallen mit Solarenergie zu beheizen, wie es in der Partnerstadt Amiens mit Erfolg betrieben wird. Aber da sich von der Mehrheitsfraktion niemand dafür interessiert, vermodert der Beschluß in Verwaltungsschubladen. Der Einsatz von Solarenergie in Schwimmbädern, wie er in Frankfurt getestet worden ist, sollte selbstverständlich auch für Dortmund „geprüft“ werden. Jahre sind ins Land gegangen, nichts ist passiert. Als das Thema „Sport und Umwelt“ auf der Tagesordnung des Sportausschusses stand, war später im Protokoll zu lesen: „Die Verwaltung soll Material sammeln, das dann diskutiert wird.“ Jahre ist es her, daß dieser Beschluß gefaßt wurde. Die CDU-Fraktion hatte damals ein besonderes Bonmot beigetragen: „Die CDU-Fraktion sieht keinen Anlaß, heute über die Angelegenheit zu sprechen. Wir werden eine Tagung zu der Thematik durchführen und dann darauf zurückkommen.“ Bisher ist sie nicht gekommen.

Der SPD-Fraktion fiel dazu überhaupt nichts ein. Die hat halt Mitglieder im Sportausschuß. Wozu die da sind? Siehe oben.

Der Autor war von 1984 bis 1990 für die Grünen Mitglied im Sportausschuß der Stadt Dortmund.