Wer ist Occhetto?

■ Zum „Betriebsunfall“ der gescheiterten Wiederwahl des KPI-Chefs

Wer ist Craxi?“ — so das bereits geflügelte Wort Achillo Occhettos in seiner Abschlußrede auf dem Gründungsparteitag der demokratischen Linken (PDS) in Rimini: „Wer ist Craxi?“, so hatte er gefragt, daß er es sich erlauben könne, den Exkommunisten Noten in Sachen Demokratie zu erteilen und ihnen den Eintritt in die Sozialistische Internationale zu verbieten?

Die Widersprüche, die in Rimini in der neuen Linkspartei zum Ausbruch kamen, sind genau dieselben, die sich auch in der SPD finden: zwischen Klose und Lafontaine, zwischen Heidi Wieczorek- Zeul und Hans-Jochen Vogel. Daß sie insbesondere in Sachen Golfkrieg offen ausgetragen wurden, ist ein guter Anfang für die neue PDS. Allerdings: Die „Weder-noch-“ oder „Sowohl-als- auch“-Linie Occhettos, die sich scheute, der Partei neben dem Abschied vom Kommunismus noch weitere Brüche zuzumuten, erhielt die Mehrheit. Die Gründung der neuen PDS, die Occhetto in einer kämpferischen Rede als „Partei des Friedens“ gegen praktisch die Gesamtheit der italienischen politischen Kräfte verteidigte — insbesondere gegen Wer-ist-Craxi — wurde dann auch mit einer riesigen Mehrheit beschlossen.

Aber wer ist Occhetto? Im Moment jedenfalls nicht der Generalsekretär der neuen Partei. Mit nur zehn Stimmen verfehlte er die erforderliche absolute Mehrheit des anstelle des alten ZKs neu eingerichteten „nationalen Parteirates“. 132 Mitglieder dieses „consiglio nazionale“ waren bei der Abstimmung gar nicht anwesend und schon nach Hause gefahren. Die Delegierten waren müde. Am hypergarantistischen Statut — Occhetto hätte die Mehrheit der Mitglieder (274), nicht nur der Abstimmenden (264) auf seiner Seite haben müssen — hatten die ganze Nacht von Sonntag auf Montag noch die Häuptlinge und Oligarchen der diversen Strömungen herumgefeilt und gefeilscht.

„Sucht euch einen neuen Generalsekretär!“ war Occhettos erste Reaktion. An den „technischen“ Betriebsunfall glaubt eigentlich niemand. In Wahrheit wurde Occhetto von den Strömungshäuptlingen (nicht nur aus der nostalgisch-kommunistischen Nein-Fraktion) „bestraft“. Er hat sich darum bemüht, in der neuen Partei alle Sensibilitäten der italienischen Linken zu repräsentieren: vom katholischen Pazifismus bis zu den liberalen Linksunabhängigen und den „verantwortungsethischen“ Europäern und Außenpolitikern. Er hat mehr Demokratie in der Partei gewagt. Doch Demokratie ist mehr als nur Repräsentation. Jetzt muß er — wenn er sich doch noch zur Wiederwahl stellt — eine entscheidungsfähige Mehrheit gewinnen. Sonst wird er zum Gefangenen wechselnder — und kontrastierender — Minderheiten und Bezirksfürsten. Deutsche Grüne können ein Lied davon singen. Otto Kallscheuer