Modische Bedürfnisse

Der Golfkrieg inspiriert nicht nur die Pariser Modemacher, auch die Designer der neuen Taschenmode für die Sommersaison 1991 haben sich einiges abgeguckt. Sie ließen sich von Erde, Sand und Steinen, von Wasser in seinen zahlreichen Schattierungen und vor allem von den goldenen Farbtönen der Sonne beeinflussen. Der Metallic-Look wird auch wieder ein Renner, wie auf der 91. Internationalen Lederwarenmesse in Offenbach zu hören war.

Die Lederhändler brauchen sich inzwischen auch nicht mehr um den lästigen Artenschutz kümmern, sie setzen auf staatliche Kontrolle. Das bedeutet, daß tote Tiere, die zu Taschen oder Gürtel verarbeitet werden, wieder auf dem Vormarsch sind. Tierschützer kritisieren zwar Züchtung und Tötung zur Befriedigung rein modischer Bedürfnisse, aber das interessiert die Lederbranche einen feuchten Furz. Krokoleder oder Kunststoff mit Reptilprägung soll nach dem Willen der Tierhäute-Verarbeiter nur eine Frage des persönlichen Geschmacks und des Geldbeutels sein. Der hessische Tierschutzbeauftragte Ilja Weiss sieht in solchen Erwartungen den Versuch, einen toten Markt zu beleben, was aus ethischen und ökologischen Gründen abzulehnen sei.

Nach Jahren des Kampfes um den Artenschutz ist die Herstellung von Taschen aus Krokodil-, Eidechsen- oder Straußenleder für den Unternehmer Winfried Kralle mittlerweile ein Geschäft wie jedes andere. Noch müsse sich der Markt zwar erholen, in wenigen Jahren jedoch werden die Tiere die für die Eitelkeit des Menschen ins Gras beißen müssen, nicht mehr zu zählen sein. Das wird ein Spaß werden, wenn endlich wieder Schlange und Eidechse „unbedenklich und voller Freude“ getragen werden können. Schon heute kommt wegen Gefährdung der Bestände aus den meisten südamerikanischen Ländern zumindest legal gar kein Reptilleder mehr, wie Kralle zugesteht. Die klassischen Herkunftsländer, die südlichen amerikanischen Staaten Louisiana und Florida, das südliche Afrika, darunter Südafrika und Botswana, sowie Papua-Neuguinea liefern laut Kralle den Hauptanteil der in Deutschland verarbeiteten Tierleichen. 90 Prozent der eingeführten Häute kommen von Zuchtfarmen. Die restlichen zehn Prozent stammen von Tieren, von denen nur eine bestimmte Anzahl in freier Wildbahn gekillt wird. Diese Quoten werden nach Ansicht Kralles in nächster Zeit drastisch erhöht, denn „ohne natürliche Feinde vermehren sich die Krokodile doch wie Unkraut“. Karl Wegmann