„Zurück ins Vorenergiezeitalter“

■ Flüchtlinge und Friedenscamper berichten über ihre Eindrücke aus dem Irak

Während eines Besuchs in Jordanien haben die Bundestagsabgeordnete Vera Wollenberger und Christoph Matschi (SPD) mit zurückgekehrten Friedenscampern und Flüchtlingen aus Bagdad gesprochen. Im Folgenden dokumentieren wir Auszüge aus den Interviews.

Detlef Enge-Bastien,41, Arzt aus Bitburg: Die Energieversorung in Bagdad ist fast völlig zusammengebrochen. Alles, was sie noch haben, sind Generatoren, die mit Erdölprodukten betrieben werden, das heißt, daß sie keine Energie in ihren Krankenhäusern haben, in ihren Pumpstationen. Das ganze Land wird zurückgebombt in das Vorenergiezeitalter. Und das in einem Land, das Millionenstädte hat, in denen die Leute davon abhängig sind; das ist natürlich katastrophal. Von sechs Raffinerien sind vier zerstört, die letzten zwei werden bald zerstört sein. Dann können die im Krankenhaus nur noch mit dem Messer in der Hand dastehen, und dann ist Schluß.

Alexander Kriegsheim: Wir wissen nicht, was für Bomben bei den alliierten Angriffen gegen Bagdad eingesetzt worden sind. Wir haben auf jeden Fall unterschiedliche Auswirkungen gesehen: also Hochhäuser, die mehr als zehn Stockwerke hoch sind, von denen nichts mehr übriggeblieben ist, außer den Eisengerüsten, die teilweise zusammengeschmolzen waren.

Sudanesische Flüchtlinge im jordanischen Lager Azraq: Wir sind am 28. Januar von Bagdad mit einem Lastwagen geflohen. Die Straße nach Jordanien war bombardiert worden und teilweise zerstört. Auf dem Wege haben wir ausgebrannte Autos und Lastwagen gesehen, die von Bomben getroffen worden sind. Wir sind in mehreren Lastwagen gefahren, wobei der Abstand zwischen den einzelnen Wagen sehr groß war, da wir ständig Bombenangriffe befürchteten. Vor unserer Flucht haben wir seit Beginn des Krieges zwölf Tage lang fast die ganze Zeit im Keller gelebt, wo wir Schutz vor den Bombenangriffen gesucht haben.

Persönlich haben wir keine zivilen Opfer gesehen, weil wir uns nicht auf die Straße getraut haben. Wir haben aber von anderen gehört, daß besonders viele Kinder gestorben sind — bis zu 3.000 —, allein aus Mangel an Nahrungsmitteln und medizinischer Versorgung. Wir sind sicher, daß es viele Bombenopfer gibt, da die meisten Bomben Wohnhäuser zerstört haben. Die Bomben wurden sowohl auf militärische Ziele als auch auf Industrieanlagen und Wohnviertel geworfen, ohne Unterschiede zu machen.

Nur über ein batteriebetriebenes Radio konnten wir Nachrichten hören. Danach wurden schon in den ersten beiden Tagen viele Wohnviertel bombardiert, Schulen, Krankenhäuser und Moscheen, Brücken und eine Kirche. Es herrscht Mangel an Lebensmitteln, insbesondere an Milch und Fleisch. Brot ist stark rationiert. Auch frisches Obst und Gemüse ist Mangelware. Benzin ist ebenfalls sehr stark rationiert, das betrifft besonders auch die öffentlichen Verkehrsmittel, so daß die Bürger in Bagdad sich nur schwer bewegen können.

Eine Gruppe von Jemeniten: Wir waren Studenten an der Al-Mustansiriyah-Universität in Bagdad. Wir haben vorrangig die Bombardierung von Wohnvierteln und Moscheen und Krankenhäusern gesehen. Vor allem wurden auch historische Kulturdenkmäler zerstört. Wir haben niemals eine solche Barbarei gegen Zivilisten und Kultur erlebt.

Ahmad Mahmud, Fahrer eines Transportes vom Roten Halbmond am 31. 1. 91: Während meiner Fahrt von Jordanien in den Irak habe ich auf irakischem Gebiet sieben amerikanische bzw. alliierte Flugzeuge gesehen, die Beduinen-Zelte auf irakischem Gebiet bombardiert haben. Bei dem Angriff sind zwölf Beduinen, darunter sechs Kinder, getötet worden. Ich habe versucht, zwei Männer zu retten, Erste Hilfe zu leisten und sie ins Krankenhaus zu bringen. Einer von ihnen ist unterwegs gestorben. Bevor er starb, fragte er nach seiner Frau und seinen beiden Kindern, die schon vor ihm direkt beim Angriff gestorben waren. Die Straße zwischen dem Irak und Jordanien ist mit zerstörten Lastwagen und Tanks, die schon von Bomben getroffen wurden, übersät.