„Scham, Entsetzen und Empörung“

■ Rita Süssmuth verurteilt während Israel-Besuch „kriminelle Waffengeschäfte“ deutscher Firmen mit dem Irak Erste Knesset-Rede von Ministerpräsident Schamir seit Kriegsbeginn/ Verzicht auf internationale Nahost-Konferenz gefordert

Tel Aviv (ap/dpa/taz) — Am zweiten Tag ihres Israelbesuchs hat Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth gestern „die kriminellen Waffengeschäfte“ deutscher Firmen mit dem Irak verurteilt und ihre Einstellung gefordert. „Scham, Entsetzen und Empörung innerhalb und außerhalb des Bundestages verbinden sich mit der Forderung nach lückenloser Aufklärung“, erklärte Frau Süssmuth in Gesprächen mit Staatspräsident Herzog und Ministerpräsident Schamir. Sie wandte sich jedoch gegen eine Pauschalverurteilung der Bundesrepublik: „Es sind nicht die Deutschen oder die deutsche Wirtschaft pauschal, die nicht um ihre besondere Verantwortung und Verbundenheit mit Israel wissen“, sagte Frau Süssmuth der Nachrichtenagentur 'ap‘. „An der Aufrüstung Iraks im Kampf gegen Chomeini waren viele Staaten beteiligt.“

Gleichzeitig wies sie darauf hin, daß die irakischen Drohungen gegen Israel nicht ernst genug genommen wurden. Die Waffengeschäfte mit Irak hätten in den deutsch-israelischen Beziehungen viel zunichte gemacht, „was in den schwierigen Jahrzehnten nach 1945, nach den Schrecken des Holocaust, an Vertrauen zwischen Israelis und Deutschen von den Älteren und Jüngeren wieder aufgebaut wurde“.

Verteidigungsminister Arens erklärte im Gespräch mit Frau Süssmuth und der Bundestagsdelegation, er hoffe, daß die europäischen Staaten nun endlich verstanden hätten, daß Saddam Hussein seine Kriegsmaschinerie ohne die Hilfe der demokratischen Staaten niemals hätte aufbauen können. „Jetzt steht zu hoffen, daß man in Europa nach dem Ende dieser Krise einsieht, daß in dieser Region neue Realitäten geschaffen werden müssen, und daß man dann die gleiche Feinfühligkeit an den Tag legen wird, wie jetzt.“

Arens wurde gefragt, was er von der Bundesrepublik erwarte. Seine Antwort: „Kurzfristig hoffen wir auf Verständnis für die große wirtschaftliche Last, welche dieser Krieg Israel auferlegt. Langfristig auf politische Unterstützung.“ Frau Süssmuth versprach weitere deutsche Hilfe und wies auch auf die europäische Hilfe für Israel hin, die auf Vorschlag von Bundesaußenminister Genscher beschlossen wurde. In Deutschland akzeptiere man keine Verbindung zwischen der Kuwait-Invasion und dem israelisch-palästinensischen Konflikt.

Während die deutsche Delegation auf der Gästetribüne der Knesset saß, hielt Ministerpräsident Schamir am Montag seine erste Rede seit Kriegsbeginn über den Golfkonflikt. Er bekräftigte die Weigerung Israels, sich an einer internationalen Nahost- Konferenz zu beteiligen, wie sie für einen späteren Zeitpunkt erst jüngst auch von den USA und der Sowjetunion wieder vorgeschlagen wurde: „Heute sollte allen klar sein, daß Vorschläge wie eine internationale Konferenz, die am hartnäckigsten von Saddam Hussein und Jassir Arafat verfochten werden, kein Mittel sind, um eine Lösung zu fördern, sondern um den Willen des Aggressors durchzusetzen.“ Wer den Frieden suche und zu Israel stehe, sei gut beraten, „diesen Vorschlag von der Tagesordnung zu streichen“.

Der Regierungschef betonte erneut die Entschlossenheit Israels, die irakischen Raketenüberfälle nicht einfach hinzunehmen, machte aber deutlich, daß Israel nach wie vor Rücksicht auf die antiirakische Allianz nehmen wolle. „Die Stunde der direkten Aktion gegen den irakischen Feind wird kommen, wenn Israel es entsprechend den Umständen entscheidet.“ Amos Wollin