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Armee verscheucht Mubaraks Strahlemann

Zwischen Ägyptens Staatspräsident und der Militärführung vermuten Beobachter Differenzen über das US-freundliche Golfengagement/ Diplomatischer Schwerpunkt in der Region verschiebt sich gen Iran/ Fastenmonat Ramadan könnte Irak von Nutzen sein  ■ Aus Kairo Ivesa Lübben

Nach dem Treffen mit der gesamten Führung des Militärs war das sonst so siegesbewußte Lächeln von den Lippen des ägyptischen Präsidenten verschwunden. Vier Stunden hatte die Unterredung mit Verteidigungsminister Sabri Abu Talib, mit Stabschef Abu Schnaf, dem Kommandeur der Luftwaffe und dem Chef des militärischen Geheimdienstes gedauert. Präsident Mubarak habe mit der Armeeführung mögliche Entwicklungen in der nächsten Phase des Golfkrieges erörtert. Das war alles, was aus der offiziellen Presse über dieses Thema zu erfahren war.

Schon allein die Tatsache, daß sich Mubarak mit den wichtigsten Befehlshabern der Armee getroffen hat, halten politische Beobachter in Kairo für ein Indiz, daß es womöglich Differenzen zwischen der politischen und militärischen Führung des Landes gibt.

„Unsere Soldaten sind bereit zu kämpfen, aber sie müssen wissen wozu“, meint ein ägyptischer Politologe, der nicht namentlich genannt werden will. „Für die Unabhängigkeit unseres Landes, zur Verteidigung der heiligen Stätten, aber doch nicht für die Zerstörung eines anderen arabischen Landes und seiner Armee. Der Golfkrieg ist doch nur ein dreckiges Geschäft um Petrodollars — wenig Motivation für einen ägyptischen Soldaten.“ 35.000 ägyptische Soldaten sind an der saudisch- kuwaitischen Grenze stationiert, ursprünglich mit dem Auftrag, Saudi- Arabien zu verteidigen. Bislang haben sie sich aus dem „Krieg zur Befreiung Kuwaits“, wie es im offiziellen ägyptischen Sprachgebrauch heißt, herausgehalten. Vor drei Tagen versicherte Mubarak den amerikanischen Fernsehzuschauern in einem Direktinterview mit der Fernsehstation ABC, Ägypten sei fester Bestandteil des internationalen Bündnisses gegen Hussein. Seine Soldaten würden zur gegebenen Zeit mitkämpfen. Sie seien in ihren Uniformen schließlich nicht zum Maskenball an den Golf geschickt worden. Doch die Frage, die sich viele in Kairo stellen, lautet: Macht die Armee da wirklich noch mit?

Die Zerstörung des irakischen Militärpotentials wird das militärische und damit auch das politische Kräfteverhältnis zugunsten der nichtarabischen Regionalmächte Türkei, Iran und vor allem Israels auf Kosten der Araber und damit auch auf Kosten Ägyptens verändern. Selbst unter den arabischen und islamischen Staaten, die eigene Truppen an den Golf geschickt haben, ist Ägypten mit seiner eindeutig proamerikanischen Haltung zunehmend isoliert. Marokko hatte in den letzten Wochen auf Neutralität gesetzt und gemeinsam mit den anderen Maghrebstaaten nach einer Verhandlungslösung im Golfkonflikt gesucht. Nach dem Generalstreik vor einer Woche und der Demonstration der 300.000 in Rabat zur Unterstützung des Iraks dürfte es mit der marokkanischen Rolle im „Bündnis“ ein für alle mal zu Ende sein. Die 3.000 syrischen Soldaten haben sowieso kein Gewicht und Hafez El Assad weiß genau, daß die meisten seiner Untertanen seine Porträts, die jedes Büro und jeden Laden schmücken, am liebsten gegen Bilder von Saddam Hussein tauschen würden. Und der pakistanische Präsident Scharif hat am Montag in Islamabad deutlich gemacht, daß die 10.000 pakistanischen Soldaten am Golf nicht Teil der antiirakischen Front seien.

Auch der Schwerpunkt der diplomatischen Aktivitäten verlagert sich zunehmend von Kairo nach Osten. Der iranische Staatschef Rafsandschani kündigte am Montag auf der ersten großen Pressekonferenz seit Ausbruch der Golfkrise an, er sei bereit, zwischen Bagdad und Washington zu vermitteln, wenn dies dem Frieden in der Region diene. Dem stellvertretenden irakischen Ministerpräsidenten Saadun Hamada richtete er aus, er sei bereit sich mit Saddam Hussein zu treffen, wenn dadurch das irakische Volk vor weiteren Zerstörungen bewahrt werden könne. Die iranische Friedensinitiative wird von den Maghrebstaaten und Pakistan unterstützt. Die Sowjetunion schickte am Dienstag einen ihrer stellvertretenden Ministerpräsidenten nach Teheran, um ihre eigenen Friedensbemühungen mit der iranischen Führung zu koordinieren.

Die ägyptische Presse hat sich bislang jeden Kommentars dazu enthalten. Der ägyptischen Führung wäre es am liebsten, wenn der Krieg möglichst schnell zugunsten ihrer amerikanischen Schutzherren beendet würde, da die Stimmung im eigenen Lande langsam auf die Seite Iraks umzuschlagen droht.

Bei seinem Besuch in Washington letzte Woche riet der ägyptische Außenminister Ismet Abdel Meguid der amerikanischen Führung dringend, den Krieg bis Mitte März zu beenden. Dann beginnt der islamische Fastenmonat Ramadan. Meguid fürchtet, die religiösen Gefühle könnten in dieser Zeit aufgeputscht werden. Schon heute vergleichen islamische Kreise die amerikanische Truppenpräsenz am Golf mit einem neuen Kreuzzug zur Unterwerfung der moslemischen Völker.

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