Die tollen alten Nixdorfer!

■ 160.000 Luftballons! Und „mitten in einem großen Geschehen“: Ulrike Reck inszeniert Erlebniskultur für Großunternehmen

hierhin bitte

die lachende

Frau

Ulrike ReckFoto: Privat

„Wir leben in einer Zeit der Erlebnisse...Erlebnisse beeinflussen Märkte, deshalb sind erfolgreiche Unternehmen „erlebnisstarke“ Unternehmen. Von der Motivation ihrer Mitarbeiter bis zur konsequenten Umsetzung ihrer Corporate Identity...Wir bieten Ihnen das Fest, die individuelle Inszenierung, die erlebnisstarke Veranstaltungsform an.“

Aus dem Prospekt „Inspirations by Ulrike Reck“, Bremen-Oberneuland.

taz: Ein prächtiges Haus haben Sie.

Ulrike Reck: (lacht) Selber umgebaut!

Sonst machen Sie eher flüchtige Dinge.

Ja. Ich liefere berufsmäßig Ideen an Firmen, die Veranstaltungen machen wollen. Zum Beispiel, um ein Produkt vorzustellen, oder auch, um einfach Mitarbeiter oder Kunden einzuladen. Da organisiere ich den ganzen Rahmen, die Dekoration, das Catering (Essen usw.; MD) die passende Location (Ort; MD)...

...und die Kultur.

Ja. Ich habe die Firma, ich habe das Produkt, dann suche ich die passenden Künstler.

Wo?

In meiner Kartei. Oder im Künstlerkatalog, der einmal im Monat erscheint.

Sie versprechen Ihren Kunden Erlebnisse. Zum Beispiel?

Zum Beispiel lädt eine Firma Nixdorf ihre Außendienstmitarbeiter ein. Und zwar die 900 mit den höchsten Umsatzsteigerungen. Wir haben denen, statt goldenen Uhren und so, ein richtig elitäres Fest präsentiert. Motto: Toll trieben es die alten, also nicht Römer, sondern: Nixdorfer. Da hatten wir ein Zelt in Köln, und nirgendwo Elektrik, bloß Fackeln, und ganze Ochsen wurden aufgetragen. Und Sänger, Tänzer und römisch kostümierte Schauspielgruppen, zum Teil vom Zirkus Roncalli, wo ich früher gearbeitet habe.

Da braucht's bestimmt richtige Drehbücher!

Ja, das ist meine Aufgabe. Wobei ich sehr auf diese Harmonie im Ablauf achte. Die Gäste sollen gar nicht merken: jetzt ist der dran, dann jener, und vielleicht auch noch angesagt! Die sollen das Gefühl kriegen, mitten in einem großen Geschehen zu sein.

Das moderne Theater mischt sich unters Publikum...

Genau. Letzten Freitag hatten wir ein Ärzte-Symposium mit abends großem Essen. Da haben wir an einen eigenen Tisch einen Charlie Chaplin gesetzt. Der aß mit, bloß sehr irritierend. Nämlich mit OP- Besteck, und plötzlich quoll Blut aus seinem Pfannkuchen und solche Dinge, bißchen dekadent. Aber die ham gelacht, die konnten das ab, waren lauter Chirurgen.

Ein passendes Erlebnis.

Ja, das muß passen. Sie können einen, der den ganzen Tag auf dem Gabelstapler hockt, nicht plötzlich vor ein Fünf-Gänge-Menü setzen. Kann der ja gar nicht mit umgehen. Da hat doch niemand was von, wenn man den so prostituiert!

Haben Sie gesagt: prostituiert?

Ja. Oder wenn eine Firma eine neue Verpackung macht. Müssen wir auch überlegen: Was für ein Motto paßt da?

Sie sind eine gelernte...

...Schauwerbegestalterin. Das kann ich jetzt gut brauchen. In diesen Inszenierungen muß ja alles stimmen, bis hin zum Licht.

Sagen wir mal, ich bin ein Künstler, ein ganz durchgeknallter Vogel. Haben Sie Arbeit für mich?

Ja, sofort. Das sind mir die liebsten. (Lacht) Die Kreativen.

Was haben Sie sonst für Kulturleute in ihrer Kartei?

Schauspieler, Pantomimen, Artisten, Clowns. Aber das ist nicht so wichtig. Da ich sehr produktbezogen arbeite, mache ich aus den Leuten erst das, was ich brauche: ein Bremer-Stadtmusikanten-Theater ode sonst eine Choreographie. Oder ein Sänger singt, aber als Koch.

„Als Ort käme ein Schwimmbad oder ein See in Firmennähe in Frage...Zum Inventar dieses Schauspiels zählen Comic-Figuren in Gegensatz zu nostalgischem Wasserballett. Verschiedene Erlebnisbereiche wie der frische Duft nach Minze, tanzende Kaugummis, in die Lüfte steigende Kaugummiblasen, in den Bäumen sitzende Phantasietiere, immer im Einklang zur Natur, bewegen sich wie selbstverständlich auf dem Gelände. Dazu Artisten und leichte Musik, gespielt von kleinen Orchestern.“

Ulrike Reck, Fest-Skizze für einen Kaugummi-Konzern

Sind's lauter Leute, die davon leben müssen?

Ja, nur Profis.

Wieviele gibt's da in der Bremer Region?

Bestimmt tausend, schätz ich.

So viele?

Ja. Ich arbeite aber nur mit wenigen. Sonst gibt's noch die Künstlervermittlung des Arbeitsamts.

Kommt es vor, daß Firmen mal was ganz Verrücktes wollen?

Das ist eigentlich der Trend. Das Ausgefallene. Die trauen sich immer mehr.

Auch hier in Bremen?

Selbst da. Die wollen bloß kein Geld dafür ausgeben. Die sind wohl auch einfach scheu. Und jetzt auch noch der Golfkrieg. Also ich finde nicht, daß man deswegen jede kleine Veranstaltung, bei mir waren's drei allein letzte Woche, jetzt absagen muß. Warum sollen sich die Leute nicht wenigstens abends amüsieren und zum Ausdruck bringen, daß sie Gefühle im Herzen haben? Umso besser kann man doch mitfühlen, nicht, was da unten passiert. Man muß ja jetzt nicht auf den Tischen tanzen. Bitte schreiben Sie das auf. Aber wo waren wir stehengeblieben?

Dabei, daß die Firmen sich immer mehr trauen.

Naja, das Verrückte. Das ham wir eigentlich immer drin. Diese Gäste, die plötzlich komische Dinge tun, und die Kellner, die gar keine sind, sondern plötzlich einem Gast einen Mittelscheitel ziehn. Bei unsern Chirurgen neulich haben wir gleich nach der großen Rede einen Kellner reingeschickt, der mußte mit einem Riesen-Tablett der Länge nach hinfallen, und so.

Vermutlich gibt es auch Produkte, die das Verrückte nicht vertragen.

Mhm. Für Reemstma hab ich mal eine Nacht der Sinne konzipiert. Das Ziel war, 1.300 Leute, es waren Mitarbeiter, wieder sensibel zu machen für das Produkt Zigarette. Wahnsinnig schwierig. 1.300 Leute, da wird von selber ja bloß ein Lärm draus.

Und wie haben Sie's hingekriegt?

Wir hatten da, na, 160.000 Luftballons, kunstvoll arrangiert, und ham die Leute richtig verzaubert mit lauter Bunt und Lichtern, und immerzu passierten, zum Teil wieder von Roncalli-Leuten gemacht, außergewöhnliche Dinge, die sie nicht einordnen konnten. Die kamen alle gar nicht dazu, sich zu unterhalten!

Ganz schöne Arbeit. Wieviele Leute brauchten sie da?

Puh, ich glaub, es waren alles in allem 600. Das nehmen die Firmen langsam ernst, ihre Corporate Identity. Daß sich Mitarbeiter zuhause fühlen, daß man sie auch motivieren muß.

Und denen hat es gefallen?

Die waren so dankbar!

Interview: Manfred Dworschak