Drogenpolitik: Rücktritt und Protest

■ AnwohnerInnen fürchten Ausweitung der Drobs / Rüdiger: Unterstellung

Wenn Gesundheitssenatorin Vera Rüdiger über die AnwohnerInnen der Drogenberatungsstelle in der Bauernstraße spricht, findet sie lobende Worte: „Ich habe große

Streitobjekt: Die Drogenberatung in der Bauernstraße

Achtung und Respekt für das tolerante und liberale Verhalten der Bevölkerung“, so Rüdiger gestern zur taz. Doch jetzt ist es mit der Ruhe vor Ort vorbei. „Die Behörde geht eiskalt den Weg des geringsten Widerstandes“, heißt es in einem Flugblatt einer neugegründeten Anwohnerinitiative. Während sich die Bewohner anderer Stadtteile bereits über Vorkommnisse empören, über die wir nur lächeln können, werden uns alle Belastungen zugemutet, die mit der Betreuung der Drogenabhängigen einhergehen.“

Der Grund für die Erregung: Die Deputation für Gesundheit hat beschlossen, ein Nachbarhaus der Drobs anzumieten. Vera Rüdiger zur Begründung: „Die räumlichen Verhältnisse für die ärztliche Versorgung der Drogenabhängugen sind absolut unzumutbar.“ In der Tat arbeiten dort ein Arzt und ein Krankenschwester in einem acht Quadratmeter großen, fensterlosen Raum. Die Stelle für eine zweite Ärztin konnte unter ande

rem wegen dieser Verhältnisse bislang nicht besetzt werden, sagt die Gesundheitsbehörde. „Die Behauptung wir wollten das Haus auch für andere Zwecke nutzen ist eine Unterstellung und absolut falsch.“

Doch die AnwohnerInnen wollen dem Versprechen keinen Glauben schenken. Bärbel Bilinski, eine der Initiatoren, glaubt vielmehr, daß die politisch angeblich gewollte Dezentralisierung der Drogenarbeit auch in andere Stadtteile nicht umgesetzt werden soll. Ihr Beleg für diese These: Zwischen 1987 und heute habe sich das Besucheraufkommen verdoppelt. Die Zahl der BetreuerInnen sei von drei auf 18 gestiegen. Und der Aufgabenbereich wurde ständig ausgeweitet. In dem Flugblatt heißt es: „Betreuung, Therapie, Knastbetreuung, Cafeangebot und dessen zeitliche Ausdehnung, Mittagstisch, Wäschewaschen, Notfallambulanz und ärztliche Betreuung addieren sich zu einem in Nordwestdeutschland einmaligen zentralen „niedrigschwelligen“ Angebot. „Dies ist keine Kampagne gegen die Junkies“, betont Bärbel Bilinski. „Wir wehren uns aber gegen eine kurzsichtige Politik, die Konfikten in anderen Stadtteilen ausweicht.“ Jetzt soll ein Rechtsanwalt beauftragt werden, der nach Wegen suchen sollen, die Ausweitung der Drobs auf ein zweites Haus zu verhindern.

Unterstützung haben die Anwohner durch den Beirat Mitte gefunden. Der hatte sich zwar Anfang Dezember für die Pläne der Gesundheitssenatorin ausgesprochen, nach Gesprächen mit den Anwohnern aber den Beschluß korrigiert. Weil ihre Parteien in der Deputation aber auf diese Meinungsänderungen keine Rücksicht nahmen, sind der Grüne Siggi Wegener und der SPD-Beirat Jürgen Dinse aus Protest zurückgetreten. Dinse: „ Man darf das nicht ohne das Wort der Anwohner entscheiden.“

Derweil sucht Viertelbürgermeister Hucky Heck nach Lösungen. Heck: „Wenn Dezentalisierunmg tatsächlich sein soll, dann müssen Mitarbeiter der Drobs woanders hin.“ Zweite Möglichkeit: Unter den Dach der Drobs liegt eine 2-Zimmer-Mietwohnung. Und die Bewohnerin ist bereit umzuziehen, wenn sie eine Ersatzwohnung gestellt bekäme. Heck: „Dann hätte man genügend Platz gewonnen.“ hbk