Wie werden Kriegsopfer aus dem Golf versorgt

■ Äußerungen eines Chefarztes zur Versorgung von Kriegsopfern führte zu harten Auseinandersetzungen im Kreuzberger Urban-Krankenhaus/ Beschäftigte verwahren sich entschieden gegen den Eindruck, sie wollten US-Soldaten nicht versorgen

Kreuzberg. Im Urban-Krankenhaus ist jetzt ein schon seit langem schwelender Konflikt zwischen ärztlicher Leitungsebene und dem Pflegepersonal erneut aufgebrochen. Diesmal schlugen die Wogen so hoch, daß sich einige BerlinerInnen bemüßigt sahen, der Klinik ihre private Hilfe anzubieten, »wenn sich das Pflegepersonal weigern sollte, Opfer des Golfkrieges zu versorgen«.

Am 18. Januar hatte der 'Tagesspiegel‘ berichtet, daß nach Angaben des zuständigen Chefarztes Johannes C. Bruck im Zentrum für Brandverletzte des Urban-Krankenhauses zwanzig Schwerverletzte aus dem Golfkrieg primär versorgt werden könnten. Dies sei mit einem amerikanischen Offizier abgesprochen. Im Notfall würden Patienten aus dem einzigen Verbrennungszentrum in Berlin auf andere Stationen verlegt, um Kriegsopfern zu helfen. Das wollte die ÖTV-Betriebsgruppe nicht unwidersprochen stehen lassen. Damit würde der Öffentlichkeit ohne Kenntnis der Mitarbeiter suggeriert, ließ sie verlautbaren, das Urban-Krankenhaus könne als einzige Berliner Klinik den Kriegsverletzten ausreichende Hilfe leisten: »In Wirklichkeit werden wir mit unserem Wunsch, medizinische Hilfe zu leisten, gegenüber den Zigtausenden Schwerverletzten mit leeren Händen dastehen.« Die medizinische Versorgung gehöre doch zu den Pflichtaufgaben eines Krankenhauses und sei somit selbstverständlich. Gerade deshalb »ist es widerlich«, so die Betriebsgruppe in einer Erklärung, sich »am Krieg und seinen Opfern zu profilieren«.

Die RIAS-TV-Sendung Wir in Berlin vom 30.1. interpretierte diese Reaktion jedoch als generelle Ablehnung der Betriebsgruppe, brandverletzte amerikanische Soldaten zu behandeln. »Völliger Unfug«, so Lisa Cramer, Sprecherin der Betriebsgruppe. Die Mediziner und Pflegekräfte hätten nicht die Absicht, Patienten oder Schwerstverletzte zu selektieren, und würden ihre gesetzlich und ethisch definierten Aufgaben auch weiterhin ohne Ansehen der Person wahrnehmen. Im übrigen sei doch wohl für Absprachen über die medizinische Versorgung von Kriegsopfern der Senat und nicht amerikanische Offiziere zuständig.

Bruck selbst tat diese Kritik gegenüber der taz mit dem Einwand ab, daß der 'Tagesspiegel‘ den von ihm benannten Sachverhalt »sehr pragmatisch« behandelt habe. Nicht er habe sich mit dem Offizier in Verbindung gesetzt, sondern dieser habe Kontakt zu ihm aufgenommen, um zu erfahren, wie das Urban-Krankenhaus bei der Versorgung von Kriegsopfern helfen könne. Gegenüber dem 'Tagesspiegel‘ habe er auf Anfrage nicht mehr gesagt, als daß man »aus dem Stand nicht mehr als zwanzig« Schwerstverletzte aus der Golfregion versorgen könne.

Auf Unmut bei der ÖTV stieß auch, daß die Krankenhausleitung trotz der Veröffentlichungen sowie der empörten Reaktionen aus der Bevölkerung es bislang nicht für nötig hielt, sich vor ihre Beschäftigten zu stellen: »In der Öffentlichkeit wird der Eindruck erweckt, wir würden unsere Aufgaben verweigern, und sowohl der ärztliche wie auch der Verwaltungsleiter schweigen dazu«, ärgert sich Lisa Cramer. Und tatsächlich — sowohl der ärztliche Leiter Weißbach wie auch Verwaltungsleiter Lahmann sahen auf Anfrage zunächst keinen Anlaß, sich weiter mit dem Vorfall zu beschäftigen. Beide räumten dann aber doch ein, daß man »diese Frage nicht weiter als gegenstandslos klassifizieren« könne. Denn eigentlich, fiel den beiden während des Gesprächs mit der taz auf, vertraue man Ärzten und Pflegepersonal. Wie man diese Überzeugung auch in der Öffentlichkeit offensiv vertreten könne, werde man sich auf der anstehenden Sitzung der Krankenhausleitung überlegen. maz

»Medizin und Krieg am Golf« lautet der Titel einer Veranstaltung, die heute aus gegebenem Anlaß um 16 Uhr im Großen Konferenzsaal des Urban-Krankenhauses stattfindet. Teilnehmen wird neben Helmut Becker (Vorstandsmitglied der Berliner Ärztekammer) und Michael Röhlen (Internationale Vereinigung der Ärzte gegen Atomkraft) auch Bahman Nirumand, Politikwissenschaftler und Herausgeber des Buches »Sturm am Golf«.