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»Volkserzieherisch« wertvoller Ehebruch

■ »Opfergang« mit Kristina Söderbaum in der Regie von Veit Harlan im Babylon-Mitte

Veit Harlan hatte 1941 gerade Die Goldene Stadt abgedreht, ein Film, der wegen seiner aufwendigen Farbexperimente mit 1,8 Millionen Reichsmark das UFA- übliche Maß überschritt. So kam Harlan in vorauseilendem Gehorsam auf die Idee, als nächstes drei Filme gleichzeitig zu drehen — zum Preis von zweien. Er schlug vor, Immensee und Pole Poppenspäler nach Vorlagen von Theodor Storm und Opfergang nach einer Novelle von Rudolf Binding zur gleichen Zeit, an gleichen Drehorten, in gleichen Kulissen und mit gleichen Hauptdarstellern zu produzieren. Goebbels war von der Idee angetan, da sich aber andere Schauspieler über die »Familienfilmerei« beschwerten — Harlan wollte, daß seine Frau Kristina Söderbaum jeweils die weibliche Hauptrolle spielte — gab's Meinungsverschiedenheiten. Die Söderbaum, so der Propaganda-Minister, soll ruhig auch mal in Filmen anderer Regisseure spielen. Doch Harlan verbot es aus Eifersucht. »Tatsächlich war es bei Veit nicht nur die Partnerschaft und das Eingespieltsein, das er bei einer Filmbesetzung mit mir schätzte. Er war wirklich so eifersüchtig auf sein Geschöpf, daß er es nicht ertragen hätte, mich im Film eines anderen Regisseurs zu sehen« (Kristina Söderbaum in ihrer Autobiographie). Im Gegenzug mußte sich der Regisseur auf die Suche nach einer neuen Hauptdarstellerin für Opfergang machen. Denn die Rolle einer Ehebrecherin wollte Goebbels unbedingt mit einer schwarzhaarigen Schauspielerin besetzen. Beim Casting aber gefiel keine der Vorsprechenden — unter ihnen eine gute Freundin von Mussolini —, und irgendwann erlaubte es der Propaganda-Minister dann doch, die Rolle der »Äls« mit der schwedinnenblonden Söderbaum zu besetzen. Eigentlich wollte Harlan nach diesen Komplikationen sofort mit den parallelen Dreharbeiten — das dritte Projekt, Pole Poppenspäler wurde fallengelassen — zu Immensee und Opfergang beginnen. Aber Goebbels hielt nach genauerer Lektüre die Verfilmung der Novelle plötzlich für »volkserzieherisch indiskutabel«, weil der Ehebruch zu »wohlwollend dargestellt werde«. Harlan beschreibt in seinen Memoiren, wie Goebbels ihn auf die propagandistischen Widersprüche aufmerksam machte: »Er stellte mir vor Augen, daß gerade meine Filme hinaus an die Front geschickt würden und daß ein solcher Film unter den Soldaten geradezu Verheerungen anrichten könnte. Und zwar um so schlimmere, wenn z.B. eine so beliebte Frau wie Kristina, die für die Soldaten ein Idol bedeute, die Rolle spielte. (...) Goebbels erklärte uns, daß ‘zigtausend‚ Soldaten an der Front desertierten, weil sie von der Angst geplagt seien, ihre Frauen betrögen sie zu Hause«. Daraufhin wird die Handlung der Dreiecksgeschichte zwischen dem Weltumsegler Albrecht Froben, seiner Frau Octavia und Äls geändert: in der Novelle stirbt am Ende der Ehemann, im Nazi-Film streuen die Ehepartner am Schluß, ihren ewigen Bund besiegelnd, die Asche der »Reichswasserleiche« Söderbaum ins Meer. Octavia wirft eine rote Rose hinterdrein.

Opfergang entspricht in seiner Drehbuchfassung voll und ganz der nationalsozialistischen Ideologie: Äls ist im Film von einer Tropenkrankheit infiziert, die von Anfang an festlegt, daß die Geliebte eine Todgeweihte ist, damit Octavia sie überleben kann. Die wird als Ehefrau zur bedingungslosen Passivität verpflichtet und muß in der Opferrolle die größte Befriedigung finden. Am Ende, als Albrecht erkrankt und seinen Liebhaberpflichten nicht nachkommen kann, zieht Octavia hingebungsvoll, im Totalverzicht auf eigene Befriedigung, seine Kleider an und reitet an Äls Fenster vorüber, damit ihre Gegenspielerin sich in glücklicher Illusion wiegend sterben kann. Bemerkenswert an Opfergang ist, daß seine Farben, seine Bildkomposition und vor allem seine Naturmetaphorik der NS-Eindeutigkeit im narrativen Geschehen beständig zu widersprechen scheint. Denn die Geliebte stirbt einen häßlich-entstellenden Tod, nachdem sie den ganzen Film über das Nazi-Schönheitsideal verkörperte. Blond, korpulent, gesund, schwimmend, reitend. Äls umgibt sich mit großen Hunden und vernachlässigt ihre Mutterpflichten — ihre Tochter kränkelt verlassen in einem Hafenviertel vor sich hin — und dieses Übermaß an (männlicher) Freiheit verurteilt sie schließlich zum Tod. Das »draußen« (= die Front) ist Äls Element, sie bewegt sich zusammen mit Albrecht in Schleswig-Holsteins Landschaften wie in einer surrealen Landschaft, schon entrückt und fern dem schmutzigen Kriegsalltag. Octavia dagegen ist ängstlich und hört an sonnigen Sonntagvormittagen Nocturnes hinter zugezogenen Vorhängen, sie ist die Bürgersfrau in der Heimat, die den Krieg überleben soll.

Opfergang ist ein nationalsozialistischer Kriegsfilm, weil er den Tod verlockend schön darstellt. Seiner ästhetischen und emotionalen Botschaft folgend, gibt es für die Soldaten an der Front keinen Grund, nach Hause zurückzukehren: dem Tod begegnet man draußen, dort ist er blond und leidenschaftlich, wer sich feige fürs Überleben entscheidet, auf den wartet die Ehe als freudloser Opfergang. Ein Kultfilm für die Front. Dorothee Wenner

Nur am Donnerstag, 7.2., um 17.30 Uhr im Babylon-Mitte.

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