Die Demokratie wird siegen

■ Der ägyptische Literatur-Nobelpreisträger Nagib Mahfuz über den Golfkrieg DOKUMENTATION 1

Wie ist Ihre Reaktion auf diesen Krieg, der sich nun unmittelbar im Anschluß an das ereignet, was doch das Ende aller Kriege schien? Wut, Schmerz, Angst, Mitleid?

Nagib Mahfuz: Die Spaltung der arabischen Nation macht mich betroffen, die Spaltung in Freunde und Gegner von Saddam. Ich bin davon überzeugt, daß der Krieg unvermeidlich war, denn er hat ja schließlich jede friedliche Regelung ausgeschlagen. Aber, zugleich empfinde ich einen tiefen Schmerz über das, was der arabischen Nation im Irak widerfährt.

Macht es für Sie einen Sinn, den Begriff arabische Nation so weit zu fassen? Ihre Bücher sind doch zutiefst mit der Realität von Kairo verbunden; sind es nun ägyptische oder arabische Bücher?

Das ist ein und dasselbe. Wenn man von Ägypten schreibt, dann schreibt man über jedes beliebige arabische Land: dieselben Probleme, dieselben Situationen, dieselbe Psychologie. Alle können begreifen, was ich schreibe, und die Mehrheit meiner Leser sind Araber.

Und doch waren die Reaktionen auf diesen Krieg in den arabischen Ländern ganz unterschiedlich.

Das stimmt. In jedem arabischen Land gibt es zwei Arten von Menschen. Viele, oder zumindest etliche, stehen gegen Saddam, weil sie für das Gesetz sind und für die Sicherheit in der Region. Die anderen bewundern die Macht. In ihrem Fühlen ist Israel der Feind Nummer eins, und sie denken, dagegen braucht es einen starken Mann. Das ist die Logik. Hinter all dem steht, glauben Sie mir, das Palästina-Problem.

Ist in den Köpfen der arabischen Welt diese Verbindung zwischen Palästina und Kuweit sehr stark?

Ja, für sehr, sehr viele.

Und für Sie?

Das Palästina-Problem muß gelöst werden, andernfalls wird es in dieser Region der Welt niemals Sicherheit geben.

Oft begreifen die Schriftsteller die Menschen besser und früher als die Politiker. Was sind Ihrer Ansicht nach die Beweggründe für Saddam?

Er will in dieser Erdölregion der bedeutendste Führer werden. Seine Ideologie ist Machthunger, an diesem Punkt ist er absolut ehrlich.

Und doch haben seine religiöse Rhetorik und seine Bezugnahme auf den Koran in einem beachtlichen Teil der arabischen Welt Eindruck gemacht.

Weil er vom Palästina-Problem spricht. Gewiß, er ist nicht der erste. Er spricht auch vom Islam, aber ich nehme ihm nicht ab, daß er wirklich ein Gläubiger ist. Das ist alles Politik. In unserer Wirklichkeit ist trotz allem das, was ihn in den Augen der Leute überzeugend macht, Jerusalem. Er kann behaupten, daß er etwas für Jerusalem tut.

Wie würden Sie reagieren, wenn Israel auf die irakischen Raketenangriffe antwortet, möglicherweise gar mit einem Angriff auf zivile Ziele?

Das täte mir natürlich sehr leid. Ich kann dann zwar sagen, Israel verteidigt sich. Aber das Resultat wäre dennoch schmerzlich für mich. Das ist ein weiterer Punkt, über den wir Araber gespalten sind. Dennoch bin ich davon überzeugt, daß die Israelis intelligenter sind. Warum zieht man in den Krieg? Um den Feind zu besiegen. Warum also in den Krieg ziehen, wenn man den Feind besser dadurch besiegt, daß man stillhält? Indem Israel nicht zu den Waffen greift, bekämpft es ihn nur um so mehr. Übersetzung beider Interviews: Ulrich Hausmann

Aus 'La Repubblika‘ vom 29.1.91