Die Rache ist giftig

Berlin (taz) — Gibt es ein geheimes Vergiftungsprogramm der gedemütigten Ossis gegen die arroganten Wessis? Hintertreiben versprengte Stasi-Seilschaften, daß harmonisch zusammenwächst, was längst zusammengehört? Oder zahlen die östlichen Neubürger jetzt mit gleicher Münze heim, was westliche Pharmakonzerne ihnen einst mit undurchsichtigen Arzneimitteltests angetan haben? Der Münchner SPD-Landtagsabgeordnete Herbert Franz jedenfalls schlägt Alarm: 5.000 Tonnen Pflanzenschutzmittel aus der ehemaligen DDR, darunter 1.500 Tonnen in der alten BRD nicht zugelassene Gifte würden derzeit in Bayern und anderswo verramscht. West-Bauern und West-Verbrauchern drohe die Gefahr realsozialistischer Agrarverseuchung.

Ganze Traktorladungen, so Franz, gelangen über die Grenze, die keine mehr ist. Fliegende Autobahnhändler verhökern die Chemikalien aus volkseigener Produktion an nichtsahnende Kleingärtner und EG-quotierte Bauern. Im Rahmen des „massenhaften Ausverkaufs“ verschieben die Ossis Pestizide, Herbizide, Fungizide und Insektizide, die erstens „völlig unbekannt“, zweitens „unzureichend deklariert“ und drittens „im Westen Deutschlands aufgrund ihrer Gefährlichkeit längst verboten“ sind. Die Regierungen in Bonn und München hätten es versäumt, schimpft MdL Franz, die Chemiebombe rechtzeitig zum Schutz der Bürger aufzukaufen und so dem ungesunden Ost/West-Geschäft einen Riegel vorzuschieben. Die Bayerische Landesregierung hat die Vorwürfe inzwischen zurückgewiesen. Sie besteht auf strikter Gift-Trennung: Ost-Chemikalien, die dort noch bis Ende 1992 verwendet werden dürfen, sollen ausschließlich Ossis vergiften — und West-Chemikalien Wessies. Damit alles seine Ordnung hat. gero