„Alle stehen hinter Hussein...“

■ Die Pro-Saddam-Bewegung erinnert Vera Wollenberger (Grüne MdB) an die DDR

Auch die Bundestagsabgeordnete der Grünen, Vera Wollenberger, war im Nahen Osten. Nicht in Bagdad, aber in Syrien und Jordanien. Auch sie berichtet, daß man herzlich empfangen wurde: „Was die Friedensbewegung angeht, so hat diese bei den Arabern eine gute Wirkung hinterlassen.“ Und so wenig sie offenbar diesen Menschen, die begeistert für den Diktator Saddam Hussein auf die Straße gehen, etwas gesagt hat, das die gute Wirkung hätte trüben können, so wenig widerspricht sie der 'Jungen Welt‘, die sie interviewt (4.2.91) und wie in alten FDJ-Zeiten die Welt sauber in Gut und Böse teilt: „Bonner Regierungsmitglieder reisen nach Israel, Vertreter der Opposition reisen nach Syrien und Jordanien...“ „Mindestens 80 Prozent der Bevölkerung stehen inzwischen hinter Saddam Hussein“, berichtet Wollenberger beeindruckt aus Syrien und merkt an, daß die Regierung sich gegen diese Stimmung auf der Straße noch sperrt. Warum hat die Grüne sich nicht getraut, zu erklären, daß die Vernichtungsparolen gegen die Juden auf der Straße eine Deutsche nur an die nationalsozialistischen Massenaufmärsche erinnern können? Hat sie nichts zu den Menschrechtsverletzungen im Irak gesagt? Wenigstens ein Wort zum Giftgaskrieg gegen die Kurden, zu dem blutige Krieg gegen den Iran? Hat sie klargestellt, daß der Blitzkrieg des arabischen Möchtegernführers gegen Kuwait von der europäischen Friedensbewegung nicht als legitime innere Angelegenheit des Irak betrachtet wird? Hat sie nicht. Aber nicht einmal zurück in der demokratischen Bundesrepublik, wo sie frei reden darf, und im Interview kommt sie auf das Thema zu sprechen. Im Gegenteil: Sie stilisiert die reaktionären, antidemokratischen Massenbewegungen, die von Diktatoren geduldet und in Moscheen zum „Kampf gegen die Ungläubigen“ aufgepeitscht werden, zu demokratischen Oppositionsbewegungen. In Jordanien, findet Wollenberger tatsächlich, „da findet Ähnliches statt wie in den letzten DDR-Jahren. In Amman gibt es inzwischen politische Mittagsgebete mit anschließender Diskussion in den Moscheen, danach folgt eine Pro-Saddam-Demonstration. Ich denke, die gesamte Bevölkerung steht hinter Hussein...“ Ahnt sie, um wieviel brutaler die Geheimdienste Saddams sind als die Stasi, die sie deutsch gründlich ausbildete? Was ist los, wenn das wahr ist: die „gesamte Bevölkerung steht hinter...“? Daß der Interviewer von der 'Jungen Welt‘ entsetzt nachfragt, in welche Verwandschaft da die Bürgerrechtsbewegungen gerückt werden, war nicht zu erwarten. „Menschenrechte“ war in SED-Zeiten US-imperialistische Demagogie, „Demokratie“ war wahlweise verwirklicht oder bürgerliche Ideologie. Aber „Demokratie Jetzt“, „Frieden und Menschenrechte“ sind die Begriffe der Bürgerrechtsbewegungen geworden. In der ersten politischen Lage, in der das nicht schön freundlich nebeneinander geht, verrät Wollenberger gleich die Demokratie und die Menschenrechte. Klaus Wolschner