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Modeschau-Masterin

■ „Weiber von Sinnen“ — RTL plus, Mi. 22.40 Uhr

Und dafür habe ich Kamel mich also meilenweit durch Eis und Schnee zu meiner verkabelten Freundin gekämpft. Bloß um sie und ihren neuen Auftritt — zum Auftakt der Weiberfasnacht — nicht zu verpassen. Hella-au.

Ich war wohl von Sinnen? Dabei war frau ja vorgewarnt. Schließlich hatte es kaum ein Medium versäumt, für die neue „Weibershow“ der schlagzeilenträchtigen RTL-plus- Moderatorin die Trommel zu rühren. Und die „Gags“ waren alle schon ausposaunt.

„Ich liebe Kirmes und ich liebe Frauen.“ Na und. Aus dem Munde von Deutschlands bekanntester Frauenliebhaberin klang das beinahe schon pflichtschuldig.

Ansonsten ging es viel um den Mann, seine Trotteligkeit und seinen „Schniedelwutz“. Über Hausmänner in Schürze, die sich um die Weichheit ihrer Händchen beim Spülen sorgen und sich unter den Attacken ihrer Angebeteten ducken, haben wir schon in den 70er Jahren herzlich gelacht, als sich feministischer Frust über die Geschlechterrollen immer mal in „Verkehrte Welt“-Phantasien entlud.

Altes bewährt sich eben immer wieder. Auch der Besuch bei den Huren in Hamburg. Es ist eben eine aufregende Sache, einmal selbst im Schaufenster zu sitzen, einen Blick in das öde Arbeitsgelaß einer Prostituierten zu tun, ein bißchen in der Folterkammer einer Domina herumzukramen und über die perversen Schrullen der Kundschaft zu lachen. Dann noch ein gemütlicher Plausch mit Prosti-Star Domenica und Kolleginnen über Hurenehre und Lust. Eine gute Gelegenheit, mal kurz aufs Klo zu gehen, bevor neue Überraschungen drohen.

Zum Beispiel Eva Rühmkorf (SPD), ihres Zeichens Kultusministerin, über ihre groooße Liebe zu ihrem dichtenden Peter, über Seitensprünge und Eifersucht, über Vertrauen und Sex. Daß der Ministerin dabei auch das Wort „Bumsen“ über die Lippen kommen wird, haben wir bereits der Programmvorschau entnommen. Aber sie sagt es so ladylike, daß es hier noch einmal erwähnt werden sollte. Parteigenossin und Schwäbin Herta Däubler-Gmelin sagt so etwas nicht. Ihr schlimmstes Schimpfwort ist „Heilix Schtuargart“, sie liebt Streicheln auf der Haut und Zartbitter-Schokolade im Mund. Sie redet auch von ihrem Laster, dem Essen, und verweist etwas verschämt kokett auf ihre Figur. Zu sehen ist nix. Und wenn schon. Schließlich ist bei Hella von Sinnen „fat-pride“ angesagt. Es ist herzerfrischend, mit welcher Lockerheit die dicke Blonde gemusterte Hosen, Lederwämse und Motorradjacken trägt. Und Blitzumfragen unter meinen Freundinnen ergeben: Höhepunkt ist eindeutig die Modeschau, in der die Showmasterin in kessen XL- Klamotten alle(s) ins Wirbeln bringt. Modeschau-Masterin Hella. That's it.

Aber hätte der Kommerzsender RTL plus hier nicht wenigstens einen kleinen Hinweis auf die Hersteller der flotten Fetzen geben können? Wir Scharen von „vollschlanken“ Frauen, von anonymen Eßsüchtigen hätten es ihm gedankt. Ulrike Helwerth

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