Die Deutsche Bundesbahn japst im Sparkorsett

Güter sollen im Kombi-Verkehr Schiene/Lkw befördert werden/ Schweiz zeigt, wie der Umstieg auf die Bahn klappen kann  ■ Von Hermann-Josef Tenhagen

Berlin (taz) — Klagen, lamentieren und der Entwicklung hinterherlaufen — so lassen sich die Aktivitäten der Bundesbahn beschreiben. Zwar wird seit dem Amtsantritt des ehemaligen AEG-Chefs Heinz Dürr als obersten Eisenbahner verstärkt hinter den Kulissen an neuen Modellen gestrickt. Doch öffentlich präsentieren die Bundesbahner sich weiter gedanklich gefangen im sechs Jahre alten Sparkorsett der Bundesregierung.

Da ist beispielsweise Güterbahnplaner Bernd Pliquett: Der arme Mann sollte den in Berlin zur Umweltmesse UTECH 91 versammelten Verkehrsexperten „Möglichkeiten und Konzepte zur Verlagerung des Straßenverkehrs auf die Bahn“ präsentieren. Was er vorführte, waren die Unmöglichkeiten: kein Konzept, sondern Sparbetrieb.

Betriebswirtschaftlich gerechnet müsse die Bundesbahn viel zu viele Bahnhöfe im Güterverkehr bedienen, so Pliquett. Die Hälfte aller Annahmestellen trügen weniger als ein Prozent zum Güterumsatz bei. Die 30 umsatzstärksten Güterterminals dagegen brächten 95 Prozent aller Einnahmen im Güterverkehr. Also weitere Zentralisierung und Stillegungen unrentabler Terminals.

Als neue Möglichkeit präsentierte Pliquett dem Fachpublikum den kombinierten Ladungsverkehr von Lkw und Schiene. Seit Jahren hat die Bahn dort zweistellige Zuwachsraten. Doch selbst hier kommen die Eisenbahner nicht in die Puschen. Es fehlt an Lkw-Terminals und Personal. Seit Monaten versuchen die Bahngewaltigen verzweifelt, Reichsbahnlokführer in den Westen abzuwerben, bislang mit eher mäßigem Erfolg.

Was die Bundesbahn nicht konnte, lieferte auf der UTECH der Schweizer Verkehrsexperte Jörg Oetterli frei Haus. Mit dem 1987 von den EidgenossInnen per Volksabstimmung bestellten „Bahn 2000“-Programm fährt die SBB seit Jahren mehrstellige Zuwachsraten im Personen- und Güterverkehr heraus. Allein in den vergangenen fünf Jahren sei der öffentliche Verkehr um 64 Prozent gewachsen, so Jörg Oetterli. Kern von „Bahn 2000“ ist ein Knotennetz, das die Bahnhöfe in kurzem Takt miteinander verbindet. Schnelle Anbindung und kurze Wartezeiten machen die Bahn attraktiv, auf Hochgeschwindigkeitstrassen sollte verzichtet werden. Bis zur Jahrtausendwende wollen die EidgenossInnen die Kapazität im Personenverkehr um mindestens ein Drittel ausbauen.

Im Güterverkehr werden gleichzeitig die Bahntransitkapazitäten durch die Alpen erhöht. Drei bis vier Millionen Lastwagenladungen jährlich sollen zur Jahrtausendwende über die Nord-Süd-Schienen rollen können. Zugleich müssen im Land der Banken und Berge die Lkw-Motoren nachts und sonntags weiter kalt bleiben. Lkw über 28 Tonnen dürfen die eidgenössische Luft ohnehin nicht verpesten.

Das „Bahn 2000“-Konzept sei Teil eines Gesamtverkehrskonzeptes, so Oetterli. Seit 1977 werde es von Regierungsexperten ständig weiterentwickelt. Treibende Kraft sei allerdings die Bevölkerung. „Die direkte Demokratie hat die Verkehrswende ermöglicht“, so Oetterli. Die in den Ballungszentren lebenden EidgenossInnen hätten schneller die Nase voll gehabt von Luftverschmutzung und Waldsterben als anderswo. Die Schweizer seien deswegen nicht die besseren Menschen. Schließlich habe die Schweiz eben keine eigene Autoindustrie.