Ein Hilferuf König Husseins

■ Der Haschemitenherrscher steht mit dem Rücken zur Wand KOMMENTARE

Der Appell des jordanischen Königs Hussein für einen Waffenstillstand im Golfkrieg läßt sich als ein dramatischer Versuch interpretieren, die internationale Gemeinschaft auf die prekäre Lage aufmerksam zu machen, in die sein Land geraten ist. So gesehen, ist die indirekte Drohung, an der Seite Saddams in den Krieg einzutreten, wenn die eigene Ölversorgung nicht gesichert ist, als ein Hilfeschrei zu werten. Trotz seiner scharfen Kritik an den USA und seinen emotionalen Worten über die Opfer des Krieges ließ der König erkennen, daß er die Gratwanderung der Neutralität weiter fortsetzen möchte, eine Neutralität freilich, die er für die USA angesichts des UN-Embargos mit den Erdölimporten aus dem Irak schon verletzt hat.

Bereits im Vorfeld des Krieges hatte der Haschemitenherrscher sich aus guten Gründen um eine Vermittlung im Golfkonflikt bemüht. Sein Balanceakt zwischen der pro-irakischen Stimmung im Lande und den Folgen für Land und Thron im Falle einer Einbeziehung in den Krieg ist noch schwieriger geworden, seit die USA die jordanischen Tanklaster im Irak bombardiert haben. Dies hat den anti-westlichen Gefühlen zusätzlich Nahrung gegeben und auf ökonomischer Ebene das Land an den Rand des Abgrunds gebracht. Jordanien, eingezwängt zwischen Israel, dem Irak, Syrien und Saudi-Arabien — letzteres hat die gemeinsame Grenze bereits geschlossen — ist nun auf den guten Willen des Assad-Regimes angewiesen — oder wird von der Umwelt abgeschnitten.

Das Haschemitenreich, das sich in der Vergangenheit immer als verläßlicher Partner des Westens präsentierte, ist nun, ähnlich wie die Palästinenser auf der anderen Seite des Jordan-Flusses zu einer Art Geisel im Golfkrieg geworden. Im Falle eines Eintritts in den Krieg stünde in Jordanien mit seiner mehrheitlich palästinensischen Bevölkerung schlichtweg alles zur Disposition, unter anderem deshalb, weil sich dann auch das Nachbarland Israel bedroht fühlen würde.

Die Szenarien reichen von der Vertreibung der Palästinenser von der Westbank über den Jordan bis zum Einmarsch Syriens im Norden, dem Sturz des haschemitischen Herrscherhauses oder der Etablierung eines „Palästinenserstaates“ in Jordanien. Das weiß auch König Hussein. Ein anderer Weg als sein Drahtseilakt käme einem politischen Selbstmord gleich. Nun darf man gespannt sein, ob Bush mit mehr darauf reagieren wird als damit, dem „kleinen König“ ein gewisses Verständnis entgegenzubringen. Beate Seel