Überraschung im PKK-Prozeß

■ Der zweitwichtigste Belastungszeuge entzieht sich den Fragen der Verteidigung

Düsseldorf (taz) — Im Düsseldorfer PKK-Prozeß hat das Gericht einen der beiden Hauptbelastungszeugen, Nusret Arslan, aus dem Zeugenstand entlassen. Völlig überraschend hatte Arslan am Dienstag angegeben, mit einem der 16 Angeklagten verwandt zu sein und erklärt, er mache ab sofort von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch.

Arslan wird seit drei Jahren vom Bundeskriminalamt (BKA) als wichtiger Zeuge im „größten Terrorismusprozeß der Geschichte der Bundesrepublik“ (Ex-Bundesanwalt Rebmann) geschützt und versorgt. Insgesamt sechs Monate ist Arslan in Düsseldorf vernommen worden. Seit zwei Monaten wird er von der Verteidigung befragt. Der Zeuge werfe das Handtuch in dem Augenblick, so die VerteidigerInnen, in dem sie damit begonnen hätten, ihn zu seiner „angeblichen Entführung“ zu befragen und Widersprüche und „Lügen“ in seiner Aussage zutage gefördert hätten.

Vier Angeklagten wird vorgeworfen, den abtrünnigen Arslan im Februar 1988 entführt zu haben, um ihn vor ein Volksgericht der Partei in Köln zu bringen. Ebenfalls auf Arslans Aussagen beruht die Anklage gegen zwei der Düsseldorfer Beschuldigten wegen Mordes an zwei Parteimitgliedern 1987 im Libanon. Dem Gericht hatte Arslan auch über den Aufbau und innere Strukturen der PKK berichtet. Seine Aussagen erwiesen sich über weite Strecken als schwer verständlich, kaum übersetzbar und stellenweise widersprüchlich, weshalb es während der quälend langatmigen Vernehmung wiederholt zu Auseinandersetzungen zwischen Verteidigung und Gericht gekommen war. Die Verteidigung, die den nach dem Kronzeugen Ali Cetiner zweitwichtigsten Belastungszeugen Arslan nunmehr zu wesentlichen Punkten der Anklage nicht befragen kann, wertete seinen „Rückzug“ gestern als „offensichtlichen Absprung vor dem rechtlichen Zusammenbruch einiger wichtiger Anklagepunkte“. Angeklagt sind in Düsseldorf noch 16 PKK-Mitglieder wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung und anderer Delikte. Bis auf vier sind inzwischen alle Angeklagten aus der Untersuchungshaft entlassen worden. Die Angeklagten und ihre VerteidigerInnen hatten am Dienstag erneut die Einstellung des Verfahrens gefordert. Das kurdische Volk, für dessen Befreiung die PKK kämpfe, sei „erstes Opfer zwischen den Fronten des Golfkrieges“. Das Düsseldorfer Verfahren stelle die „zweite Front im Kampf gegen die Befreiungsbewegung“ dar. Bettina Markmeyer