Syrien, fragwürdiger Partner der „Allianz“

■ Der Westen verbessert seine Beziehungen zum Assad-Regime / Aufrüstung im Schatten des Golfkrieges

Berlin (taz) — Der Golfkrieg macht vieles möglich. Seit Syrien mit einem Kontingent von 19.000 Soldaten die multinationalen Streitkräfte unterstützt, haben sich nicht nur die Türen zu Saudi-Arabien wieder geöffnet, sondern auch zum Westen.

Wie die syrische Nachrichtenagentur 'Sana‘ am Mittwoch meldete, hat US-Präsident George Bush höchstpersönlich den syrischen Staatschef Hafez al Assad angerufen und „die Lage am Golf“ erörtert. Bereits im November verschaffte Bush durch eine persönliche Begegnung mit Assad diesem einen schönen Propagandaerfolg. Und mit Außenminister Faruk al Sharaa ist zum ersten Mal seit vier Jahren wieder ein syrischer Minister in Großbritannien — nach drei Monaten Wiederaufnahme der Beziehungen.

Syrien ist neben Ägypten und Marokko eines von drei arabischen Staaten, an deren Mitgliedschaft in der anti-irakischen Koalition den USA viel gelegen war, um nach außen hin deutlich zu machen, daß es sich nicht um einen amerikanisch-irakischen Krieg oder einen Krieg zwischen dem Westen und der arabischen Welt handelt. Wenn Syrien im Bündnis auch als ein unsicherer Kantonist gilt, so ist doch bemerkenswert, wie schnell die USA ihre heeren Ziele im Falle des Irak dem politischen Zweckdenken geopfert haben.

Scheinbar schon vergessen ist, daß auch Syrien weite Teile eines anderen Landes besetzt hält, nämlich des Libanon. Hier kann Assad bereits seinen größten Erfolg im Schatten des Golfkrieges verzeichnen: Eine freie Hand im Libanon, die promt dem unnachgiebigen Christengeneral Aoun den Amtssessel kostete. Die „großsyrischen“ Bestrebungen, die auch Jordanien einschließen, werden großzügig übersehen. Vergessen wurde auch das erklärte Ziel der syrischen Politik, ein militärisches Gleichgewicht mit Israel. Im Gegenteil. Das Assad-Regime nutzt seine golfkriegsbedingte Hilfe aus Saudi-Arabien und den Emiraten fleißig zum Kauf neuer Waffen.

Nach einem Bericht der ägyptischen Wochenzeitung 'Al Mussawar‘ fallen darunter unter anderem sowjetische Panzer und Scud- C-Rakten aus Korea — eine Entwicklung, die in Israel aufmerksam beobachtet wird. Und während die irakischen C-Waffen neuerdings für Schlagzeilen sorgen, verschließt Washington offenbar beide Augen fest davor, daß Syrien bereits seit Jahren ebensolche Waffen besitzt.

Diese kurzsichtige Politik legt einen fatalen Vergleich mit dem Irak nahe, denn das Assad-Regime zählt nach Saddam Hussein zu einem der finstersten der Region. So wurden die diplomatischen Beziehungen zwischen London und Damaskus nach einer angeblichen syrischen Verwicklung in einen fehlgeschlagenen Anschlag auf ein israelisches Verkehrsflugzeug in Heathrow abgebrochen. Wenngleich sich die beiden baathistischen Rivalen Syrien und Irak in ihrer innenpolitischen Struktur unterscheiden, so steht das Regime in Damaskus in Menschenrechtsfragen nicht viel besser da als der Irak.

Seit nunmehr 27 Jahren herrscht dort der Ausnahmezustand. Politische Gefangene verschwinden bis zu zwanzig Jahre im Gefängnis; ihre Zahl wird von syrischen Menschenrechtsorganisationen auf bis zu 18.000 — Syrer, Libanesen, Palästinenser — geschätzt, dazu sollen rund 3.000 „Verschwundene“ kommen. An Brutalität gegenüber der eigenen Bevölkerung läßt es Assad ebensowenig fehlen wie sein ideologischer Feindfreund in Bagdad: Am 13. Februar 1982 bombardierte die syrische Luftwaffe die Stadt Hama, um einen Aufstand niederzuschlagen. Die Zahl der Toten wird auf 20.000 geschätzt.

Die syrische Bevölkerung, die seit Jahren nicht nur unter der Repression, sondern auch der sozialen und wirtschaftlichen Misere leidet, hegt, wie in anderen arabischen „Allianz“-Staaten auch, weitverbreitete Sympathien für Saddam Hussein. Für zahlreiche Syrer gibt es viele gute Gründe, eine innenpolitische Veränderung zu befürworten; der Schwenk des Assad-Regimes, das sich Anti-Imperialismus und Anti- Zionismus auf die Fahnen geschrieben hatte, und die zweischneidigen Sympathien für Saddam Hussein müssen auch vor diesem Hintergrund gesehen werden. Die „Allianz“, die sich nur darum sorgt, ob Syrien „zuverlässig“ ist, könnte leicht ihren Teil dazu beitragen, daß der Nachfolger Saddam Husseins in der Region schon bereit steht. Beate Seel