„Hepp, Hepp, Hurra!“ Die Schaffer waren da

■ Trotz Krieg mochte manche Dame nicht auf ihr Abendkleid verzichten — ansonsten: Stockfisch as usual

„Stell Dir vor, es ist Krieg und keiner ißt Stockfisch!“ Nein, diese Vorstellung war den Organisatoren des 447. Schaffermahls, des „ältesten Brudermahls der Welt“, doch zu verwegen. Mag die Eiswette ausgefallen sein, der Alpenverein sein Fest abblasen, die Rosenmontagszüge sich auf nächstes Jahr vertrösten: Das Schaffermahl findet statt. Die Herren ließen den Golfkrieg jedoch kleine Schatten auf ihr Fest werfen: Die Speisenfolge blieb zwar unverändert, aber der Takt drückte sich in der Kleiderordnung aus.

Die pietätvolle Vorschrift hieß: In Kriegszeiten läßt der Herr den Frack zu Hause und schreitet im gedeckten Anzug zu Tisch. Und alle 300 Herren aus „Politik, Wirtschaft, Seefahrt und Handel“ hielten sich an die Kriegs-Etikette. Entsprechend wurde auch von den 30 zum Speisen in ein separaten Sälchen geladenen Damen erwartet, ihre Kleidung „dezent“ zu halten — „weil das auch sonst nicht zu den Männern im Frack paßt“, wie eine der Damen der taz erläuterte. Bremens First Lady Ute Wedemeier hielt sich an die Benimm-Regel, aber andere Damen mochten das neue Abendkleid nicht im Schrank hängen lassen: „Das ist doch nur sieben-achtel-lang“, entschuldigte sich eine für ihr festlich-gülden schimmerndes Maxi-Gewand.

Fünf Stunden lang arbeiteten sich ab 14.40 Uhr 300 Herren von der „Bremer Hühnersuppe“ über den „Stockfisch mit Senfsoße“ bis zum „Mokka“ vor. Währenddessen sich die 30 Damen im Kaminsaal am Katzentisch gütlich taten. Die erste Rede, gehalten vom ersten Schaffer, dem Kellogg-Geschäftsführer, Holger U. Birkigt, ging auf die kriegerischen Ereignisse am Golf ausführlich ein: „Meine Herren, wer zur See fährt, weiß, daß Zeiten guten Wetters unweigerlich durch Schlechtwetterperioden abgelöst werden. Emotionale Reaktionen, wie sie sich in anti-amerikanischen Demonstrationen und Formulierungen wie 'Kein Blut für Öl' zeigen, helfen aber jetzt und für die Zukunft nicht. Bedrückend und beschämend zugleich ist allerdings, wenn sich skrupellose Waffenhändler und eine kleine Minderheit von Industrieunternehmen — insbesondere aus Deutschland — bewußt über rüstungsrelevante Exportbeschränkungen hinweggesetzt haben.“ Die schwarzen Schafe waren gebrandmarkt, der Toast konnte wie gehabt ausgestoßen werden: „In diesem Sinne meine Herren: Auf Handel, Schiffahrt und Industrie!“

Sein Nachredner, der zweite Schaffer und Autohändler Egon H. Harms, appellierte an die versammelten bremischen und auswärtigen Manager, sich doch endlich im Osten Deutschlands mehr zu engagieren und fragte ketzerisch: „Wo ist das Problem? Sind wir müde geworden oder gar saturiert?“ Aber er kriegte die Kurve und brachte am Schluß den vorgeschriebenen aufmunternden Trinkspruch aus: „Meine Herren, auf unseren Bundespräsidenten und auf unser wieder vereinigtes deutsches Vaterland — ein dreifaches Hepp, Hepp, Hepp — Hurra!“

Polizei hatte währenddessen frühzeitig den Marktplatz abgesperrt. 14 grüne Polizeifahrzeuge hielten Wacht. Geplante Störmanöver wurden so vereitelt, und knapp 150 DemonstrantInnen mußten „draußenbleiben“. Die Mahnwache der Bremer Jugendlichen war allerdings großzügig in Bremens guter Stube geduldet worden. Was stand bei ihnen gestern auf dem Speisezettel? „Rindfleischsuppe“.

Ehrengast Walter Momper war's zufrieden: „Das Leben muß gleichwohl weitergehen.“ Barbara Debus