piwik no script img

Notfalls wird die Atombombe eingesetzt

■ Über mangelnde Verhandlungsbereitschaft und die Gefahr einer amerikanischen oder pakistanischen Atombombe INTERVIEW

L'Unitá: Glauben Sie, daß die USA nach der Illusion vom „Blitzkrieg“ nun eher bereit sind, einen Verhandlungsweg zu suchen?

Noam Chomsky: Die USA und Großbritannien wollten nie verhandeln. Am 28.1. haben die Blockfreien bei der UNO die Verabschiedung einer Resolution vorgeschlagen, die einen „Waffenstillstand“ und die Eröffnung von Verhandlungen vorsah. Diesen Vorschlag blockierten sie mit einem Veto. Ich kann nicht die geringste Chance für Verhandlungen erkennen. Solange die beiden Hauptkontrahenten des Konfliktes darauf bestehen, militärisch vorzugehen, kann sich nichts ändern. Wenn es Europa gelänge, sich der US-Politik zu widersetzen, vielleicht. Aber ich kann's mir nicht vorstellen.

Könnten die USA aus der Sackgasse herauskommen?

Die Amerikaner sind zur Zeit in einer mißlichen Lage. Sie können es sich nicht leisten, daß der Krieg allzulange andauert, aus zwei Gründen: Erstens ist der Krieg extrem teuer, und sowohl in den USA wie auch in Großbritannien ist die Wirtschaft angeschlagen. So hoffen sie beide, daß Europa und Japan den Krieg bezahlen, was nicht sehr wahrscheinlich ist. Sie hoffen zudem, daß Saudi-Arabien und Kuwait die Ausgaben großzügig decken helfen, in einem Ausmaß, das vielleicht ihre Möglichkeiten überschreitet. Zweitens darf man die öffentliche Meinung nicht unterbewerten. Alle sprechen vom Krieg gegen Saddam Hussein, aber alle wissen, daß auch ein Krieg gegen George Bush im Gange ist. In Nordafrika, in Pakistan, in Indonesien gibt es eine sehr starke Opposition gegen diesen Krieg der USA. Diese Opposition ist so stark, daß diese Länder Saddam Hussein möglicherweise helfen werden müssen. Je länger der Krieg andauert, desto schwieriger wird es sein, in der Bevölkerung der arabischen Länder, die mit den USA verbündet sind, das Ferment unter Kontrolle zu bringen. Wenn der Bodenangriff nichts als große Verluste bringen sollte, dann könnte man zu atomaren Waffen greifen. Denn eines ist klar: Die USA können sich hohe Verluste an Menschenleben politisch nicht leisten.

Nehmen wir an, die alliierten Kräfte würden Atomwaffen einsetzen. Welche Konsequenzen hätte das?

Das ist sicher nur eine entfernte Möglichkeit. Eine mögliche Folge wäre, daß Pakistan Saddam zu Hilfe käme und die Atombombe einsetzt. Ich habe erfahren, daß US-Konsulate in Flammen aufgegangen sind. BBC sagte, daß 80 Prozent der pakistanischen Bevölkerung auf Seiten Saddams stehen. Andererseits haben die USA die Wirtschaftshilfe für Pakistan fast eingestellt mit der Begründung, es produziere Atomwaffen. Iraks Zerstörung könnte in der 3. Welt zu Aufständen führen.

Gekürzt aus: 'L'Unitá‘, 1.2.91/ Übersetzung: thos

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen