Rechtsschutz für Schwule teurer

Schwulen und Lesben wird die kostenlose Mitversicherung beim Haft- und Rechtsschutz oft verweigert  ■ Von Vera Gaserow

Berlin (taz) — Eigentlich war es die selbstverständlichste Sache der Welt: Das Vertragsformular ausfüllen, die Police an die „Victoria“ in Düsseldorf zurückschicken und abgeschlossen war die längst überfällige Haftpflichtversicherung. Man schrieb das Datum April 1990. Ein halbes Jahr später jedoch erhielt Friedolin R. ein bemerkenswertes Schreiben von seiner Stammversicherung. Nach sechsmonatiger Bedenkzeit teilte die Versicherung dem langjährigen Kunden mit, daß „der vereinbarte Haftpflichtvertrag leider nicht die gewünschte Resonanz bei der Direktion in Düsseldorf gefunden habe“. Auch alle „noch so offenen Meinungskundgebungen“ gegenüber der Direktion hätten daran nichts ändern können, druckste ein „persönlich zutiefst bedauernder“ Versicherungsvertreter herum, aber so sei es nun einmal.

Auf „nicht gewünschte Resonanz“ war die wahrheitsgemäße Eintragung in der Rubrik „Mitversicherung des Lebenspartners“ auf Seite 1 der Police gestoßen. Dort hatte Friedolin R. völlig korrekt „Herrn O.“ eingetragen. Und der erfüllte auch alle Voraussetzungen, die die Versicherungsbedingungen verlangen, um als Lebenspartner kostenlos mitversichert zu werden: Er ist der „namentlich benannte Lebenspartner, des nicht verheirateten Versicherungsnehmers und lebt mit ihm in häuslicher Gemeinschaft“. Das jedoch wollte die Direktion der „Victoria“ nicht gelten lassen. „Unserer Auslegung der Definition ,Lebenspartner‘ ist nicht in unserem geforderten Maße entsprochen worden. Die Definition Lebenspartner trifft nur auf die in häuslicher Gemeinschaft Lebenden zu, die zwar nicht verheiratet sind, es aber in absehbarer Zeit in Erwägung ziehen“, schob die Versicherung als Begründung nach. Doch das war gelinde gesagt gelogen. Denn wer auch immer als Versicherungsnehmer einen Partner anderen Geschlechts in der häuslichen Gemeinschaft vorweisen kann, kann in den Genuß dieser kostenlosen Mitversicherung kommen. Keine Heiratsabsichten müssen bekundet werden, kein Aufgebot beim Standesamt will eingesehen werden, versichert der telefonische Kundendienst der „Victoria“: „Sie sagen uns den Namen und damit basta. Und wenn das in drei Jahren jemand anders ist, dann setzen wir eben den in den Vertrag ein als Lebenspartner“, vorausgesetzt jedoch, der Lebenspartner gehört dem jeweils anderen Geschlecht an.

Mit einer Diskriminierung bestimmter Personenkreise habe das ganze rein gar nichts zu tun, beteuerte die „Victoria“ im Falle von Friedolin R., doch Herr O. müsse nun einmal eine separate Haftpflichtversicherung abschließen. So wollten es nun einmal die rechtlichen Grundlagen der Versicherungsbedingungen.

Doch auch das war eine fromme Lüge. Denn so steht es weder in den Versicherungsbedingungen, noch ergibt sich das aus der rechtlichen Lage. Im Gegenteil: Da die „Victoria“ kein Einzelfall ist, sondern auch zahlreiche andere Versicherungsunternehmen Zusammenlebende mit dem leisesten Anflug von Homosexualität bei der kostengünstigeren gemeinsamen Haftpflicht- und Rechtsschutzversicherung benachteiligen, hat das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen in Berlin die Versicherer schon mehrfach zur Gleichbehandlung gemahnt. Und auch der Dachverband der Versicherer, der HUK-Verband, hat seinen Mitgliedern des öfteren ausdrücklich mitgeteilt, daß es keinerlei rechtliche Gründe gebe, gleichgeschlechtliche häusliche Lebensgemeinschaften anders zu behandeln. Nur tun könne man nichts gegen diese Ungleichbehandlung, versichern sowohl der Verband als auch das Bundesaufsichtsamt. Die Ausgestaltung der Verträge unterlägen allein der „Vertragsfreiheit der Unternehmen“. Einschreiten könnte die Aufsichtsbehörde paradoxerweise erst dann, wenn kein einziges Unternehmen eine Gleichbehandlung praktiziere und damit ein „Versicherungsnotstand“ gegeben wäre. Solange es aber Versicherungen gäbe, die auch homosexuelle Paare gleichrangig versichern, könne man ja zu denen gehen, meint das Bundesaufsichtsamt — und das ist sicher nicht die schlechteste Empfehlung.