Bizarre Polygamie

■ Slowenien will mit dem Balkan nichts mehr zu tun haben GASTKOMMRENTAR

Die Kohabitation auf dem Balkan ähnelt immer mehr einer bizarren Polygamie, in der jeder geschieden ist und gleichzeitig darauf besteht, weiter unter einem Dach zu leben. Geht man von den jüngsten Äußerungen wichtiger slowenischer Repräsentanten aus, dann ist die nördlichste Republik dicht vor dem Schritt, das gemeinsame Haus zu verlassen. Schon am 5. Februar hat Joze Pucnik, der Führer der regierenden Koalition, der allerdings im Präsidentschaftswahlkampf dem Ex-Kommunisten Milan Kucan unterlag, erklärt: „Alle politischen Parteien Sloweniens haben sogar die Idee einer losen Konföderation aufgegeben, weil die anderen Republiken unannehmbare Bedingungen dafür stellen.“ Nach Pucnik wird die Abspaltung Sloweniens noch vor dem Beginn des Frühlings stattfinden. Pucnik kann zwar nicht für die Regierung reden, es ist aber festzuhalten, daß seine Voraussagen in der Vergangenheit meistens richtig lagen, auch wenn bei ihm das Bemühen zu spüren ist, die Frage der nationalen Souveränität mit seinem persönlichem Aufstieg zu verknüpfen.

Obwohl sein Präsident Kucan den Oppositionsführer als seinen „persönlichen Opponenten“ bezeichnet, bestätigte er — abweichend von seiner sonstigen sybillinischen Redeweise — Pucniks Äußerungen: „Eine jugoslawische Konföderation ist keine Option mehr.“ Die Abspaltung Sloweniens scheint damit ausgemachte Sache zu sein, denn die Äußerungen Kucans wurden zu einem Zeitpunkt gemacht, als die Konsultationen zwischen den Republiken über eine Konföderation abgeschlossen waren. Weil seither vor allem die Armee nichts anderes als bemerkenswerte Desaster produziert hat, klingt Kucans Statement wie eine negative Synthese: Die Verhandlungen darüber, sich doch noch über die Form eines gemeinsamen Staates zu einigen, haben einzig die Unmöglichkeit gezeigt, gerade dieses Ziel zu erreichen.

Wenn die „ernsthaften“ politischen Statements auf dem Balkan überhaupt ernst genommen werden können, dann ist Slowenien jetzt daran gegangen, die bisherige Souveränitätsrethorik in praktische politische Schritte zu übersetzen. Das heißt aber noch nicht, daß Jugoslawien aus den Landkarten radiert wird, denn gemäß der serbischen Position bedeutet die Abspaltung einer Republik noch nicht das Ende des Bundesstaats, sondern einen Neubeginn. Doch sind die Gerüchte beachtenswert, Serbien fördere den Abgang Sloweniens, um die anderen Republiken, vor allem Kroatien, leichter zu kontrollieren. Die Slowenen haben aufgehört, sich für die Winkelzüge der jugoslawischen Politik zu interessieren. Ervin Hladnik-Milharcic

Der Autor ist Chefredakteur der slowenischen Wochenzeitung „Mladina“