Asylentscheidungen im Akkord

■ Einschränkende Asylregelungen in Schweden werden zum Dauerzustand/ „Erfolg“: Flüchtlingsstrom läuft an Schweden vorbei

Stockholm (taz) — „So wird das ganze Asylverfahren zur Farce“, kritisiert ein Flüchtlingsbetreuer in Hammarstrands bei Östersund. Jan Erik Östlin war aufgefallen, wie sich die „Beratung“ durch einige RechtsanwältInnen praktisch abspielte: „Dem Flüchtling wurden zwei Fragen gestellt — das war's.“ Die Folgen sind formelle Fehler und mehrfach versäumte Fristen.

In Schweden kann sich kein Flüchtling seinen Rechtsvertreter im Asylverfahren selbst aussuchen, sondern er wird ihm ausgerechnet vom Einwanderungsamt zugeteilt. Hatten früher bis zu 50 Prozent der Klagen gegen ablehnende Asylanträge Erfolg, ist diese Quote mittlerweile auf ganze 5 Prozent gesunken.

Flüchtlingsobmann Peter Nobel sieht seine schlimmsten Befürchtungen bestätigt: Rechtsanwälte mit großer Erfahrung im Asylrecht werden von der Behörde systematisch übergangen. Statt dessen werden unerfahrene Anfänger ausgewählt, denen dann noch so viele Verfahren übertragen werden, daß sie schon aus Überlastung nicht ordentlich arbeiten können.

Diese Woche wurde eine interne Dienstanweisung bekannt, wonach die Behördenleitung regelrechte Akkordarbeit verfügt hat. Jede/r Bedienstete, die/der über den normalen Durchschnitt hinaus Asylfälle abhakt, konnte in den letzten Monaten einen Akkordzuschlag von umgerechnet 200 Mark pro erledigter Akte einstreichen. Eine regelrechte Fließbandmentalität bei den Angestellten war die Folge. Bei einzelnen häuften sich die Akkordzuschläge so an, daß sie unter dem Strich den doppelten bis dreifachen Monatsverdienst nach Hause brachten. Die nur zu berechtigte Frage von Flüchtlingsorganisationen und AnwältInnen, ob denn Akkordarbeit gerade bei der Entscheidung des weiteren Schicksals von Menschen angebracht sei, konnte das zuständige Arbeitsmarktministerium nicht beeindrucken: Was solle man denn bitte tun, wenn die Akten sich unerledigt häuften und im Haushalt keine Luft für neue Stellen sei?

Einträgliche Akkordarbeit wird im Einwandereramt in absehbarer Zukunft aber wohl nicht mehr anfallen. Die Zahlen der Flüchtlinge, die in Schweden an die Tür klopfen, sind in den letzten Monaten rapide gesunken. Nicht einmal die Hälfte des sonst üblichen Wochenschnitts wurde seit Anfang 1991 verzeichnet. Und dies in einer Zeit, in der woanders in Europa die Zahlen der Asylsuchenden in die Höhe schnellen. Das vor einem guten Jahr verschärfte Asylrecht, das seither Kriegsdienstverweigerer und Flüchtlinge aus Bürgerkriegsländern praktisch von einer Asylanerkennung ausschließt und einen Nachzug von Angehörigen der Flüchtlinge erheblich erschwert, soll ganz offensichtlich zum Dauerzustand werden. Als „vorübergehende Einschränkung“ war es im Dezember 1989 der Öffentlichkeit präsentiert worden; jetzt berät die Regierung über eine Dauerregelung. R. Wolff