Pflegeberufe ein Anachronismus „Wie im 19. Jahrhundert“

■ Experten debattieren die Neuordnung personenbezogener Dienstleistungen

Die Pflege-und Erziehungsberufe müssen neu strukturiert werden. Daß in den Krankenhäusern Pflegenotstand herrscht, daß die Altenheime zunehmend mit „gefährlicher Pflege“ umschrieben werden und daß Großstädte wie Frankfurt versuchen, mit finanziellen Anreizen die ErzieherInnen am Abwandern aus ihren Berufen abzuhalten — das hat in allen drei Bereichen weitgehend die gleichen Gründe. Als „anachronistischen Sonderstatus“ beschreiben Experten übereinstimmend die Situation: Durch Weiterbildung könne sich keine PflegerIn, keine ErzieherIn in der Berufshierarchie nach oben bringen. Jeder Handwerker könne sich dagegen durch Weiterbildung zum Meister qualifizieren, jede Weiterqualifizierung zahlt sich in allen anderen Berufen durch tarifliche Eingruppierungen in barer Münze aus.

Nicht so im personenbezogenen Dienstleistungsbereich. Dort führt Weiterbildung nur zu weiterer Spezialisierung. Auch der Ausbildungsalltag sei nicht klar strukturiert und erinnere an das 19. Jahrhundert. Die Familienarbeit der Frauen werde als Erfahrung vorausgesetzt, aber nicht vergütet. AltenpflegerInnen müssen sie sogar noch selbst finanzieren. Die Folge: Abnehmende Motivation, große Fluktuation. Bei ErzieherInnen übersteigt die fünfjährige Ausbildungszeit sogar die durchschnittliche Verweildauer in dem Beruf.

„In den Gewerbe-Berufen, den typischen Männerberufen, gab es am Anfang dieses Jahrhunderts eine Neuordnung. Wenn wir bis zum Ende dieses Jahrhunderts in den Pflegeberufen, also den klassischen Frauen-Berufen, eine Neuordnung ereichen, dann sind wir nur ein Jahrhundert zurück“, stellt die Bremer Professorin Helga Krüger sarkastisch fest.

Sie sitzt seit gestern mit rund 136 KollegInnen aus Wissenschaft, Praxis und Politik in einer Fachtagung an der Bremer Uni zusammen, um Perspektiven für eine solche Neuordnung zu entwickeln. Die Fachtagung wird dabei erstmals Erfahrungen der unterschiedlichen Modellversuche in der Bundesrepublik sammeln und austauschen, die über die Ausbildung der Ausbilder auf diese Berufsbereiche Einfluß nehmen wollen.

Das Land Bremen wird seine eigenen Ansätze zur Aufwertung und Umstrukturierung der Ausbildung und Weiterqualifizierung in den Pflegeberufen von der Auswertung der Tagungsergebnisse abhängig machen. Die Tagung wird deshalb von der Gesundheitssenatorin und dem Wissenschaftssenator mitfinanziert. ra