Klimavergiftung

■ Zum politischen Maulkorb für arabische Berliner KOMMENTAR

Stellen Sie sich mal vor, Ihre Tochter oder Ihr Sohn studiert im Ausland und erhält eines Morgens folgenden Brief: »Sehr geehrte/r Herr/Frau XY, Aufgrund des Ausländergesetzes wird ihnen hiermit die politische Betätigung untersagt. Begründung: Die deutsche Industrie hat mit Wissen der deutschen Regierung wiederholt Rüstungsgüter, unter anderem Produktionsanlagen für chemische Waffen, in Krisengebiete geliefert. Aufgrund Ihrer Staatsangehörigkeit ist nicht ausgeschlossen, daß auch Sie in derartige Unternehmen verwickelt sind. Daher sind die mit dieser Verfügung gegen Sie getroffenen Maßnahmen auch gerechtfertigt. Im Auftrag...« Mal ehrlich, Sie würden sich ernsthaft Sorgen machen, in welch düsteren Polizeistaat Sie Ihren Nachwuchs haben ziehen lassen.

Mehreren ausländischen Berlinern, in besseren Zeiten auch scheinheilig »Mitbürger« genannt, wurde gestern per Verfügung jede politische Betätigung untersagt. Die Betroffenen sind Araber und weil Saddam Hussein auch Araber ist und zu Terroranschlägen aufgerufen hat, ist die öffentliche Sicherheit gefährdet. Ergo dürfen diese Menschen sich nicht mehr politisch betätigen — so einfach ist manchmal die Logik von staats- und verfassungsschützenden Beamten, und das Ausländergesetz gibt solche Willkürbegründungen leider allemal her. Nicht nur deshalb gehört es in den Reißwolf. Für »konkrete Verdachtsmomente« zur Gewaltanwendung, wenn sie denn bestehen, gibt es ein Strafgesetzbuch. Für politische Äußerungen, egal ob für oder gegen den Krieg, egal ob für oder gegen Saddam Hussein, gibt es eine Verpflichtung zur Meinungsfreiheit. Für alle — egal mit welchem Paß. Und wenn irgend etwas momentan die öffentliche Sicherheit in dieser Stadt gefährdet, dann diese polizeilichen Einschüchterungsmanöver, weil sie das politische Klima vergiften. Andrea Böhm