Politischer Maulkorb für arabische Berliner

■ Die Studenten müssen sich zweimal die Woche bei der Polizei melden

Berlin. Aus erster Hand sollte der arabische Kommilitone berichten, denn die TU wollte die Öffentlichkeit über die jüngsten Polizeiaktionen gegen arabische Studenten im Zusammenhang mit dem Golfkrieg informieren. Doch der Kommilitone zog es vor zu schweigen: Die Ausländerbehörde hatte ihm am Morgen einen Maulkorb verpaßt. Mit sofortiger Wirkung wurden ihm und mehreren anderen arabischen BerlinerInnen jede politische Betätigung untersagt, Berlin dürfen sie ohne behördliche Genehmigung nicht mehr verlassen, zweimal wöchentlich müssen sie sich bei der Polizei melden.

Von »massiver Einschüchterungstaktik« sprachen die Studentenvertreter auf der Pressekonferenz. TU-Vizepräsident Neef hielt sich bedeckt, tat aber seine persönlich Meinung kund: »Politische Betätigung muß jedem Ausländer uneingeschränkt möglich sein.« Von einem Skandal spricht die AL. Ihr ausländerpolitischer Sprecher Wolfgang Wieland sieht in der Maßnahme vor allem ein Ziel: Einschüchterung.

Wie viele dieser Verfügungen bislang verschickt worden sind, vermochte der zuständige Senatsrat in der Innenverwaltung, Lutz Voss, gestern auf Anfrage nicht zu sagen. Daß in den nächsten Tagen weitere nichtdeutsche BerlinerInnen einen Maulkorb erhalten, »kann ich nicht ausschließen«.

Im Schreiben der Ausländerbehörde wird gemäß Paragraph 37 des Ausländergesetzes die Gefahr für die FDGO und Sicherheit der Bundesrepublik sowie die Unterstützung von Gewaltanwendung als Begründung herangezogen. Im Fall eines Palästinensers wittert die Ausländerbehörde allein wegen seiner Herkunft Gefahr für die Sicherheit. Da Saddam Hussein zu Terroranschlägen aufgerufen und dabei auch an nichtirakische Staatsbürger appelliert habe, sei nicht ausgeschlossen, »daß auch Sie sich an solchen Anschlägen beteiligen werden«. Eine solch vage Begründung löste auch bei der Ausländerbeauftragten des Senats, Barbara John, Protest aus, die zuerst sogar die Echtheit der Verfügung bezweifelte. »Man kann doch nicht alle Araber hier unter einen Pauschalverdacht stellen.«

Warum eine Meldepflicht und das Verbot der politischen Betätigung irgend jemanden von einem Anschlag abhalten sollte, konnte auch Lutz Voss nicht genau erläutern. Gegen die Betroffenen lägen konkrete Verdachtsmomente vor, das Verbot der politischen Betätigung sei das »ausländerrechtlich gebotene Mittel«.

Den Vorwurf, Gewaltanwendung zu unterstützen, weist der Anwalt eines Mandanten entschieden zurück, die Begründung der Verbotsverfügung hält er für »juristisch unhaltbar«. Mit dem Fall muß sich nun das Verwaltungsgericht befassen. Spätestens dort müßte die Ausländerbehörde die »konkreten Verdachstmomente« auf den Tisch legen, was sie im Fall eines irakischen TU-Studenten, der wegen Verdachts geheimdienstlicher Tätigkeit in ein Drittland abgeschoben werden soll (die taz berichtete) bislang verweigert. Nach Angaben des Rechtsanwaltes des Irakers berufe sich die Behörde darauf, daß die Beweismittel der Geheimhaltung unterlägen. Und auf diesen Beweismitteln sitzt, wie aus gut informierten Kreisen zu erfahren war, nicht die Ausländerbehörde, sondern der Bundesnachrichtendienst. Andrea Böhm